Freitag, 9. September 2016

Meine Geschichte bevor ich meinen Menschenpartner traf... (4. Teil)

Mittlerweile war ich schon über 10 Wochen auf der Welt... *schnauf* tolle Welt...ein Keller...mittlerweile voll von unserer Kacke und Pisse. Meine anfängliche Neugierde auf die Welt hatte mittlerweile den ein oder anderen Dämpfer erlebt...

Freilich wusste ich damals nicht, dass es fast 11 Wochen waren...woher auch? Denn zum einen bekam ich ja in dem Keller nichts vom Tageswechsel mit und außerdem haben wir Hunde ja nicht so ein Zeitgefühl wie ihr 2-Beiner... Aber das war schon einer dieser Dämpfer: diese begrenzte Welt, die immer mehr stank. *brummm* Wenn das die Welt sein sollte, nunja, so war meine Neugierde darauf mehr als gedeckt...ich hatte im wahrsten Sinne die Nase voll! *schnauf*


Boooaaah, die Welt kann ja richtig pansig schön sein! Einfach wuffastisch!

Doch neben diesem Dauer-Dämpfer gab es noch einen anderen: den Menschen. Der kam so ein- oder zweimal am Tag... Jedesmal machte er mit uns so komische Sachen, versuchte uns wild zu machen... *schüttel* und bei denen es nicht gelang, da wurde er böse...so auch manches mal bei mir...denn ich beobachtete viel und wurde nicht direkt sauer, wie ein paar meiner Geschwister...irgendwie fiel es mir auch schwer, den Kerl wirklich ernst zu nehmen. Zu unkoordiniert wirkten seine Bewegungen. Aber gerade weil ich nicht so schnell agressiv wurde, bekam ich es von ihm zu spüren. Den ein oder anderen Schlag oder Tritt musste ich einstecken... *brummm* Naja, immerhin war es eine Abwechslung zum sonst recht eintönigen Leben im Keller...

Außerdem brachte er uns ja Futter mit. Auch wenn es nicht reichte...und wohl auch nicht das beste Futter war. Wir hatten alle schon Mangelerscheinungen... Plattfüße, stumpfes und löchriges Fell...

Das ist also ein Rinderohr? *schmatz* Ist lecker! Toll! Kannt ich vorher nicht...

Immer wieder verschwanden Geschwister von mir mit dem Kerl. Ich hoffte, dass sie es besser haben würden. Aber die besorgten Körpersignale meiner Mutter ließen mich nichts gutes ahnen. "Die Wildesten und Agressivsten sind meist die Ersten. Doch ihnen geht es nicht besser: Sie müssen kämpfen", signalisierte mir Mutter... Und was ist mit denen, die als letztes übrig bleiben?, wollte ich wissen. Meine Mutter senkte traurig den Blick...und ich spürte ihre Trauer nicht nur, ich konnte sie auch riechen...denn die übrig blieben, die wurden "entsorgt"...

Da hörte ich Geräusche! Kam der nach Alkohol riechende Mann wieder? Würde er wieder versuchen uns sauer zu machen? Und vor allem: würde er wenigstens ein bisschen Futter mitbringen? Freudig wedelnd liefen schon einige Geschwister zur Tür... Ihr denkt sicher, was für blöde Hunde? Aber so sind wir, wir freuen uns auf euch Menschen, auch wenn ihr uns nichts Gutes tut... Vor Jahrzenhntausenden schlossen wir Freundschaft, einen Pakt, ja mehr noch: wir gingen den Weg der Koevolution! Und wir Hunde halten uns daran, denn ihr seid unsere Partner!

Und irgendwie freute ich mich auch ein wenig...wegen der Abwechslung und dem Futter. Obwohl ich sicher wieder wegen meiner skeptischen Art den ein oder anderen Hieb bekommen werde...aber immerhin auch Aufmerksamkeit... Und da kam mir die Trauer meienr Mutter in den Sinn: Würden wir jetzt etwa "entsorgt" werden?

Plötzlich offnete sich die Tür...meine Aufregung wuchs...die Gerüche waren anders...die Proportionen auch...die Bewegungen erst recht...das waren andere Menschen! *schwanzwedelheftig* Und sie schmimpften! Aber nicht mit uns, sondern mit dem nach Alkohol riechenden Mann, der uns immer besucht hatte. Vor allem ein Mann sprach viel und mit sehr ernstem, ja strengen Tonfall mit ihm (es war der Amtsveterinär, der die Beschlagung durchgeführt hatte).

Mit uns redeten sie (den Amtsveterinär begleiteten ein paar Tierschützer) dagegen ganz behutsam und leise... Unsere anfängliche Unsicherheit wich, zumal auch Mutter mit ihrem warnenden Gebell aufhörte. Denn eine Frau kümmerte sich um sie. Es war die erste Menschenfrau in meinem Leben die ich roch... Unser Zutrauen zu diesen Menschen wuchs, und so näherten wir uns ihnen. Doch das sollte ich schnell bereuen. Denn sie packten uns in kleine Kisten. Na prima, ist das jetzt meine Welt? Die ist ja noch kleiner als der Keller! *brummschnauf*

Sie trugen die Kisten mit uns dann heraus. Und nachdem sie eine Treppe raufgegangen waren, erlebte ich zum ersten mal in meinem Leben die "Menschenwelt". Was für ein Abenteuer, so viele Farben, so viele Geräusche und was viel wichtiger war: so viele manigfaltigen Gerüche. Ich vergaß sogar die Enge der Box, so gebannt war ich...

Sie steckten uns in ein Auto...wobei, ich wusste damals nicht einmal, dass das ein Auto war...ich wusste ja nicht mal, was ein Auto überhaupt war (okay, ich weiß es auch heute nicht so genau...aber ich weiß, dass es ein Fortbewegungsmittel ist...und selbst das wusste ich damals nicht). Die Fahrt war völlig ungewohnt, nicht nur das Gerückel, auch die vielen Geräusche...vom Motor, von der Straße, von den Leuten im Wagen... Dann hielten wir an. Das hatten wir wärend der Fahrt öfter, daher rechnete ich damit, dass es gleich wieder losgehen würde und krallte mich am Boden der Box fest...naja ich versuchte es, denn der war viel zu glatt...

Aber wir fuhren nicht weiter. Die Heckklappe des Wagens öffnete sich... Was kam jetzt? Werden wir kämpfen müssen? Oder werden wir "entsorgt", weil wir die letzten des Wurfs waren, die keiner haben wollte? Meine Kiste wurde mit zwei weiteren herausgenommen und an andere Menschen übergeben. Rüde (Menschensprache: Mann), war das ein Wechsel...heute würde ich sagen: wie im Taubenschlag...aber damals kannte ich ja keine Tauben...ich kannte eigentlich noch nichts...nur den Keller und seine stinkenden Gerüche...daher fand ich alles recht unheimlich. Aber irgendwie war ich auch neugierig... *ohrennachvorn*

So landete ich im Tierheim Hilden. Viele denken da schon, der Arme. Aber nein, das war ganz toll da! Denn im Vergleich zum Keller zuvor war es da ganz wuffig. Wir waren viel an der frischen Luft und es haben sich ganz zauberhafte Menschen um uns gekümmert. Und endlich gab es genug zu fressen... *schleck* Ja, wenn das die Welt war, damit konnte ich leben. Okay, hinter Gittern ist nicht toll und all die bellenden Hunde können echt nerven...aber das war um Lichtjahre besser als der blöde Keller...


Also auf deinem Schoß, da gefällt es mir wuffig! *schwanzwedel* Und endlich sehe ich auch mal deine Augen!

Und dann geschah es! Nur ein paar Tage nach meiner Ankunft. Da kam so ein seltsamer 2-Beiner ins Tierheim und stand vor dem Zwinger, in dem ich und meine zwei Brüder untergebracht waren. Warum seltsamer Kerl? Nun, das hatte hauptsächlich zwei Gründe: 1) er war so ganz anders, als die Männer die ich bisher kennen gelernt hatte (okay, das waren ja nicht viele, aber der einzige Erfahrungsschatz, den ich hatte): er roch kein Stück nach Alkohol (ich erfuhr später, dass er selten trinkt, weil er nicht viel davon verträgt), keine Haare und dann diese seltsam großen Augen ohne Pupille (ich wusste damals noch nicht, was eine Sonnenbrille war). Irgendwie irritierte mich das zwar, aber sein Blick wirkte dadurch auch weniger starrend und bedrohlich. 2) Ich spürte sofort: DER PASST! Das war er! Der fehlende Teil! Auf den habe ich gewartet! Er würde mich ergänzen und ich ihn! PARTNER!

Wir gehören zusammen!

Leider war der Typ, der später mein Oller werden sollte, nicht so schlau...damals noch weniger als heute...er merkte es nicht...also, nicht so schnell. Er denkt einfach zu viel nach... Ich merkte wie er außerhalb des Zwingers eher einen anderen Bruder von mir beobachtete. Dann kam er rein... Sogleich stürmten meine beiden Brüder auf ihn zu. Ich kam auch näher, blieb aber in einem gewissen Abstand stehen und beobachtete. Ihr glaub aus Vorsicht? Hm, kann sein, daran erinnere ich mich nicht mehr, nur an meine Neugierde und dass ich nicht "unhöflich" sein wollte, indem ich ihn bedränge. Ich wusste doch gar nicht, ob er das mag... Ich musste ihn doch erst verstehen...und dieser Wunsch wurde immer stärker...

Dann drehte er sich plötzlich zu mir um. Heute weiß ich, dass er sich beobachtet gefühlt hatte, so als ob irgendwelche Blicke in seinem Nacken wären... MEINE Blicke! Ha, war er also doch nicht so dumpf...hatte er es also auch gespürt... Und dann beschäftigte er sich mit mir. Oh diese Freude oder dieses Glück. *schwanzwedelfreu* Endlich war mein Partner da, endlich war ich vollständig. Alles war vergessen, der stinkende Keller, meine Brüder, ja selbst meine Mutter, die ich seit dem nicht mehr gesehen habe. Zeig mir die Welt! Lass sie uns gemeinsam erkunden! Wo du hingehst, da will auch ich hin!

Aber was war das? Er ging... *schnaufschüttelbrumm* wieso? Was hatte ich falsch gemacht? Hat er es doch nicht gespürt? war ich zu zaghaft? zu subtil? Immerhin waren meine Brüder da etwas aufdringlicher und unbeherrschter... Ich ahnte damals ja nicht, in welcher schwierigen Lebenssituation er sich befand, in einer richtigen Umbruchphase...ich spürte da nur eine gewisse Unruhe in ihm... Aber nun war mein Partner weg...noch lange schaute ich am Gitter ihm nach, während meine Brüder sich schon mit was anderem beschäftigten...

Hatte ich meinen Partner verloren? Hatte ich etwas falsch gemacht? Plötzlich war ich wieder unvollständig...denn wisst ihr lieben Menschen, wir Hunde haben mit euch eine Koevolution mitgemacht, daher sind wir auf eine gewisse Art mit euch verbunden, wir brauchen euch, denn erst dann macht unser Leben einen vollen Sinn...und den hatte ich gerade verloren... *traurigschau*

Ich konnte ja nicht wissen, dass mein 2-Beiner damals schon mit den Leuten vom Tierheim gesprochen hatte und sie gebeten hatte mich bis zum kommenden Tag zu "reservieren". Woher sollte ich das auch gewusst haben, ich war ja nicht dabei. Und er ist halt auch keiner, der verantwortungslos einfach einen Hund aus dem Tierheim mitnimmt ohne darüber mal nachzudenken (zumal er sich damals noch um 2 andere Hunde kümmern musste und wie gesagt, so einiges in seinem Leben zu dem Zeitpunkt los war, aber das wird er euch bald in seinem Beitrag anlässlich unseres "gemeinsamen Geburtstages" am 9. September erzählen).
 
Der allererste (2012) Gassigang und nach einem Jahr (2013)...

Doch dann, am kommenden Tag, ganz früh am Morgen, da kam der komische Typ mit den großen Augen und ohne Haare wieder. Dieses Mal wollte ich nichts riskieren! Diesesmal würde ich nicht so subtil sein, nicht so zaghaft. Scheiß auf Höflichkeit! Der Kerl braucht offenbar deutliche Signale! Und so stürmte ich sogleich auf ihn zu. Erst da interessierten sich auch meine Brüder für ihn und liefen auf uns zu. Aber dieses Mal nicht! Das war MEIN Partner! Und so schnappte ich nach meinen Brüdern, als sie links und rechts von mir erschienen...


...nach 2 Jahren (2014)...
Foto: Antje Hachmann

Und dann hörte ich seine Worte: "Ich glaub die Entscheidung hat der Kleine hier schon getroffen." Er nahm mich an die Leine und zum ersten mal gingen wir gemeinsam Gassi. Noch bevor wir das Tierheim durch die Tür für das Test-Gassi verließen sagte er: "Ich geh mal eine Runde mit ihm, aber ihr könnt schon mal die Papiere fertig machen." Und zum ersten Mal, entdeckte ich die WELT mit MEINEM PARTNER! Oh dieses Glücksgefühl, endlich begann mein Leben - unser gemeinsames Leben.


...nach 3 Jahren (2015)...
Foto: Katharina von Zitzewitz

Daher nennen wir diesen Tag, den 9. September (übrigens auch in anderer Hinsicht ein Jubiläum, denn nach einem Jahr bei meinem Partner startet an den Tag auch unser Blog, er feiert also heute 3-Jähriges!), auch "unseren gemeinsamen Geburtstag", denn auch ich änderte viel im Leben meines 2-Beiners. Mehr als wohl jeder Hund zuvor. Aber das wird er euch schon bald selber in einem Beitrag berichten. Denn hier endet meine Geschichte bevor ich Maximilian traf. Dafür begann an jenem 9. September eine neue, weitaus tollere und größere Geschichte - das Leben als Team! Ich kannte nichts, du zeigtest mir die Welt, hast sie mit mir gemeinsam entdeckt - jetzt fürchte ich nichts mehr.

...nach 4 Jahren (2016) Partnerschaft!
Foto: Ira Prettycloud


Die anderen Teile meiner Geschichte findet ihr hier:

PS: Diese Geschichte beruht zum Teil auf recherchierten Fakten, auf Gesprächen mit den Tierheim-Mitarbeitern, auf der Beobachtung von meinem Verhalten und auf Geschichten von anderen Vermehrern und dabei typsicher Parallelen. Sicher, ein Teil ist auch dichterische Freiheit. An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei den Mitarbeitern des Tierheims Hilden bedanken, denn ohne euch hätten Maximilian und ich uns nie gefunden! (Sie hatten meinen Partner sogar extra wegen mir kontaktiert.)


Partner! (2013)



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen