Im Gespräch mit dem Filmtier- und Hundetrainer Dirk Lenzen
WUFF Gassireporter Maximilian Pisacane traf sich mit dem Filmtier- und Hundetrainer Dirk Lenzen zum Gespräch. Es geht um ein mehrperspektivisches Hundeerziehungs-Buch, in dem Trainer, Halter aber auch der Hund zu Wort kommen. Hundeerziehung aus Hundesicht? Spannend.
Als uns der Filmtier- und Hundetrainer Dirk Lenzen im vergangenen Jahr von seinem Projekt erzählte, waren wir schon schnüffelgespannt: Ein mehrperspektivisches Hundeerziehungs-Buch, in dem Trainer, Halter aber auch der Hund zu Wort kommen sollen. Klar fand ich das interessant, schreiben wir doch in unserem Blog auch oft aus der Hundeperspektive, um dem Leser so auf humorvolle Weise das Sich-Hineinversetzen näher zu bringen. Als das Buch „Wenn Hunde sprechen könnten und Menschen richtig zuhören“ nun vor Kurzem erschien, trafen wir Dirk auf dem Gelände seiner Hundeschule „animalstar“ zu einem netten Plausch. Ein bekanntes Filmprojekt, bei dem Dirk mitgewirkt hat, war beispielsweise der Hollywood-Streifen „Walküre“ mit Tom Cruise, aber auch im TV arbeitet er mit, wie beispielsweise bei diversen „Tatort“-Serien (Köln, Münster, Dortmund, Frankfurt a.M.) oder bei den Sendungen „Ladykracher“, „Knallerfrauen“, „switch reloaded“ etc. Zu seinen Kunden zählen unter anderem auch Faber-Castell, Henkel, Bosch oder Mercedes.
Sich in den anderen hineinversetzen - DAS ist die hohe Kunst des Verstehens. Foto: Lutz Borger |
Im Gespräch mit Dirk Lenzen
Pisacane: Da ich ja selber in unserem Blog auch mal satirisch aus Hundeperspektive schreibe, interessiert mich brennend: Wie hattest du die Idee zu dem Buch? Vor allem – es aus drei Perspektiven (Hundetrainer, Halter und Hund) zu verfassen?
Lenzen: Mein Co-Autor, ein früherer Kunde, und ich hatten die Idee gemeinsam. Eigentlich haben wir über viele Projekte nachgedacht, aber wir entschieden uns für dieses Buch, da wir fanden, dass es am Verständnis für den Hund mangelt. Und bei meinen Workshops erkläre ich auch immer schon aus der Sicht des Hundes. Da bot sich das geradezu an. Zumal es so ein Buch in der Form noch nicht gab. Zwar gibt es durchaus Bücher, wo Hunde auch zu Wort kommen, aber eben nicht im Bereich Hundeerziehung. Und durch das Buch und die Recherche dazu haben wir noch mehr Material und Ideen gesammelt – mal sehen, was wir daraus als Nächstes entwickeln.
Dirk Lenzen mit Rico |
Pisacane: Hunde sind Makrosmatiker, wir Menschen orientieren uns eher optisch. Inwiefern können wir uns überhaupt bei so einer unterschiedlichen Wahrnehmung der Umwelt in Hunde hineinversetzen? Stoßen wir da nicht auch an physische Grenzen?
Lenzen: Natürlich, ja, es gibt da keine 100 Prozent. Dennoch finde ich, ähnlich wie du es ja auch in deinem Blog öfter schreibst, dass man es dennoch versuchen sollte, sich in den Hund hineinzuversetzen. Es geht eben nicht nur darum, dass der Hund auf einen achtet, sich an seinem Halter orientiert, sondern eben auch, dass wir Menschen mehr auf unsere Hunde achten. Er darf dabei nicht zu kurz kommen!
Pisacane: Durch gegenseitiges Verstehen kommt auch Verständnis. Und für das gegenseitige Verständnis bedarf es aber Wissen, ähnlich wie bei den Vokabeln einer Fremdsprache, als auch Empathie. Ersteres können Hundetrainer und Bücher vermitteln, aber bei Zweiterem können die Meisten nicht weiterhelfen, oder?
Lenzen: Bücher vermitteln die allgemeinen Situationen, aber man muss das bei Hunden natürlich individuell sehen. Denn jeder Hund ist anders. Man sollte Bücher lesen, um sich zu informieren, aber immer auch die eigene individuelle Situation im Auge behalten und das Gelesene transferieren. Hier setzt der Hundetrainer ein.
Dafür habe ich auch die Workshops mit Lesung entwickelt. Einige Kapitel, die sich dafür eignen, werden so auch in der Praxis geübt. Der Halter bekommt durch die Übung nicht nur eine andere Perspektive aufgezeigt, sondern durch das Training und das größere Verständnis für seinen Hund meist auch mehr Selbstsicherheit und Vertrauen in seinen Hund. Ich kann natürlich jemandem auch nicht Empathie vermitteln, wenn er Null davon hat, aber man kann den ein oder anderen anstupsen und auf neue Gedankengänge bringen, die die Empathie dann wecken.
Pisacane: Du beschreibst in deinem Buch fünf Halter-Typen. Müssten vollständigkeitshalber nicht auch ein paar „Hunde-Typen“ aufgelistet werden?
Lenzen: Ja, da hast du Recht. Aber eigentlich habe ich ja indirekt mehrere beschrieben, bei jedem Fall-Beispiel beschreibe ich auch verschiedene Hundetypen, benenne sie nur nicht. Ich wollte so beim Leser den Effekt erreichen, dass der sich denkt: „typisch meiner!“, ohne dem direkt einen Stempel aufzudrücken.
Pisacane: Was sind denn die häufigsten Fehler in der Hundeerziehung?
Lenzen: Ganz einfach: Dinge zu persönlich nehmen, vor allem wenn wir dadurch in peinliche Situationen geraten, ob zu Hause oder auf der Straße oder in Wald und Wiese. Am häufigsten sind Fehlinterpretationen, wie beispielsweise: „Das hat er absichtlich gemacht! Um mich zu ärgern …“ Nicht selten habe ich dabei beobachtet, dass der Hund das ganz und gar nicht macht, um seinen Halter zu ärgern, sondern einfach nur, weil er einen, wenn auch kurzfristigen Vorteil für sich sieht.
Gerade bei Fehlinterpretationen spielen viele Faktoren eine Rolle: Nehmen wir nur mal das rassebedingte Aussehen, beispielsweise eine Dogge und ein Malinois, die nebeneinander sitzen – beide wirken völlig unterschiedlich: Der Malinois eher aufgeweckt, die Dogge eher gemütlich. Aber schaut man sich deren Körpersprache an und lässt sich nicht von deren rassetypischem Aussehen zu Fehlinterpretationen verleiten, dann kann in dem Moment die Dogge sehr aufgeweckt sein und der Malinois eben gerade schlapp oder abgelenkt.
Oder nehmen wir doch nur die ganzen Sympathieträger mit hellem Fall oder dem niedlichen Fleck an einem Auge – die werden viel öfter positiv interpretiert als beispielsweise schwarze oder gestromte Hunde. Wie heißt es doch so schön bei uns Menschen: Kleider machen Leute – und Fell ist eben auch nur eine Form von „Kleid“.
Viele erziehen auch den ganzen Tag an ihrem Hund rum, aber leider bleibt das Grenzen-setzen dabei oft auf der Strecke. Klar kann das auch bei dem ein oder anderen Hund gut gehen, aber das funktioniert meist nur bei sehr unterwürfigen und futterorientierten Hunden.
Pisacane: Ich habe den Eindruck, dass einer der häufigsten Fehler bereits bei der Anschaffung begangen wird: Viel zu selten scheinen sich die Leute zu fragen, ob der Hund zu ihnen passt – beispielsweise was Rasse (oder seine Mischung), Geschlecht, Größe etc. angeht. Wie ist deine Erfahrung dazu? Und wie kann man deiner Meinung nach entgegenwirken?
Lenzen: Ja, stimmt, hast Recht. Es gibt viel zu wenige Menschen, die eine Beratung VORHER buchen, gerade auch Erst-Hundehalter. So fällt das Kind meist schon in den Brunnen, bevor sie sich Hilfe suchen. Wie man dagegenwirken kann? Gute Frage … Wenn ich da was wüsste, würde ich es anbieten. (lacht) So bleibt nur die mühselige Aufklärung, wie ich mit meinem Buch oder durch Magazine wie die WUFF oder Du mit Deinem Blog. Und so die Leute zum kritischen Nachdenken zu animieren.
Pisacane: Du beschreibst auch 20 Alltagssituationen, die wohl jeder Halter mehr oder weniger kennt – ebenfalls aus verschiedenen Perspektiven – und gibst dazu dann Lösungstipps. Nun sind Hunde ja Individuen und nicht dumm; zuweilen finden sie recht originelle „Lösungswege“. Ein Beispiel: Dem kleinen Doggen-Wookiee Rico konnte ich erfolgreich das Kotfressen abgewöhnen – zumindest solange ich aufpasse. Erwische ich ihn doch mal bei der Absicht zuzubeißen, weil er denkt, ich wäre abgelenkt, reagiert er auf das Pfui zunächst, indem er aufschaut und sich dann darin wälzt – selbstverständlich um danach mit einem zufriedenen Blick mir auf der Meta-Ebene mitzuteilen: „Hey Alter, was willste? Hab‘s doch nicht gefressen.“ Die Frage ist daher: Kann man überhaupt Patentlösungen geben, bei so vielen unterschiedlichen Hundecharakteren und dem Erfindungsreichtum unserer Fellfreunde?
Lenzen: (lacht) Ja stimmt. Für individuelle Lösungen mache ich ja die Workshops, da kann ich auch auf die unterschiedlichen Hund-Halter-Konstellationen eingehen. Schließlich kannst du nicht alle über einen Kamm scheren, schon weil die Hunde unterschiedlich reagieren. Es sind Hunde dabei, die muss ich am Ende loben, andere wiederum umlaufen die Wurst, um mir zu zeigen: da liegt was.
Um diesem individuellen Charakter der Hunde Rechnung zu tragen, zeige ich in meinen Workshops verschiedene Trainingsmethoden – denn nicht jede Methode passt zu jedem Hund. Ich unterscheide ja auch zwischen unterwürfigen und eher kernigen Hunden, die müssen auch unterschiedlich trainiert werden.
Was den Erfindungsreichtum angeht, da gebe ich dir Recht. Was das angeht, da werden Hunde auch oft unterschätzt. Daher sage ich immer nach jedem Training, dass sie ihren Hund weiterhin beobachten sollen. Und wenn er dann ein anderes Verhalten zeigt, müssen sie darauf reagieren.
Pisacane: Und wie findet man da das richtige Maß?
Dirk Lenzen und Rico |
Lenzen: Das gehört sicher zu den größten Schwierigkeiten. Dass man sich da auch mal vertut, dagegen ist kein Halter, aber auch kein Trainer gefeit. Es gibt Momente, da ist eine Korrektur übertrieben, aber dafür auch mal untertrieben – Gleiches gilt fürs Loben. Es gibt halt keine „Karte“, die Verständigung zwischen Hund und Mensch ist dafür zu grobkörnig. Doch solange man nicht in Extreme verfällt, ist es auch nicht schlimm, wenn wir mal das Maß in die eine oder andere Richtung ein wenig übertreiben – Hunde verzeihen uns da sehr viel.
Pisacane: Danke für das Gespräch.
Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 08/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Interview mit dem Filmtier- und Hundetrainer Dirk Lenzen über sein neues Buch, worin auch Hunde zu Wort kommen
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