„Wir brauchen einen Hunde-Führerschein!“, solche und ähnliche Forderungen tauchen schon seit Jahren immer wieder auf. Auf den Hundeplätzen, der Straße und vor allem sehr oft in den (a)sozialen Medien Facebook, Twitter & Co. Besonders hoch brandet die Forderung auf, wenn wieder mal was passiert ist, entweder ernste Unfälle wie vor Kurzem in Österreich als ein Kleinkind gebissen wurde oder aber auch weniger ernstliche, wie bei so mancher Privatfehde, die in Facebook ausgetragen wird...
Auch ohne "Führerschein" für Hunde können Halter entspannt Gassi gehen - sie müssen eben nur auf ihren Hund und andere Rücksicht nehmen! Foto: Lutz Borger |
Doch außerhalb der (a)sozialen Medien sieht man keine bundesweite Aktivität in diese Richtung in Deutschland. Und damit wir uns nicht missverstehen: bundesweit bedeutet nicht bundeseinheitlich! Denn das geht halt wegen des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips nicht in unserer Demokratie – und ehrlich gesagt: so sehr ich Hunde liebe, aber deswegen die Demokratie abzuschaffen, halte ich doch für übertrieben. 😉
Seit Jahren wird so ein bundesweiter canider Führerschein nur gefordert. Eine Umfrage unter den Lesern unseres Blogs erbrachte, dass immerhin 81 Prozent der 1303 Teilnehmer so einen Führerschein befürworten. Warum bisher in Deutschland nichts passiert? Nun, in diesem Zusammenhang lohnt mal ein Blick auf die unterschiedlichen Interessen. Schon zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn bläuten mir die damaligen Altredakteure ein, die unterschiedlichen Interessenslagen aller am Thema „Beteiligten“ zu betrachten. Und so muss man mal die ganz einfache Frage stellen: Wer hätte denn ein Interesse an so einem Hunde-Führerschein? Klar, die Hunde selber, denn sie wollen gut informierte Halter haben – und wenn ihre felllosen Primaten es eben nicht von sich aus lernen, muss man sie mit einem Führerschein eben zu ihrem Glück zwingen. Schließlich wollen ja auch Hunde verstanden werden. Aber unsere Fellfreunde können ja nicht für sich selber sprechen und haben ja daher keine eigene Lobby. Also schauen wir dann mal auf der 2-Beiner-Seite.
Interessen der Hundetrainer
Da wären zunächst die Hundetrainer: Einige werden dafür sein, aber einige eben auch dagegen. Bei Letzteren werden sicher auch wirtschaftliche Gründe eine Rolle spielen; denn sind wir doch mal ehrlich, wenn so ein Führerschein käme, wo nur zertifizierte Hundeschulen die Kurse anbieten dürfen, dann entgeht den anderen zumindest schon mal dieses Geschäft. Außerdem könnte es zu weiteren Kundenabwanderungen kommen, weil die zertifizierten Schulen dann ein besseres Image bekommen und außerdem viele, die anfangs den Führerschein-Kurs gemacht haben, wahrscheinlich in derselben Schule später auch andere Vorträge oder Workshops besucht (einfach, weil er sie schon kennt). Und so ein Führerschein wäre eine Hürde, die viele scheuen würden, die Zahl der Hunde würde demnach abnehmen. Einer der wenigen Hundetrainer, die das auch öffentlich zugeben, ist Dirk Lenzen von der Hundeschule und Filmtieragentur animalstar. Er sagte angesichts der großen Anzahl von Hunden in unserer Heimatstadt Düsseldorf (22.000 Hunde bei rund 640.000 Einwohnern): „Es gibt hier viel zu viele Hunde. Eigentlich dürfte ich sowas aus kaufmännischer Sicht mit Blick auf mein Unternehmen ja gar nicht sagen. Aber drum herumreden, das hilft nicht.“ Außerdem: So geschäftlich konkurrierend und ideologisch zerstritten, wie die Hundetrainer-Szene ist, dürfte die Einigungsversuche auf einen Lehr-Kanon für jeden politischen Beobachter mehr als spannend sein. 😃
Interessen der Tierärzte
Kommen wir zu den Tierärzten: Auch hier habe ich einige kennengelernt, die dafür sind. Andere waren aber auch dagegen. Auch hier spielten nicht selten wirtschaftliche Interessen eine maßgebliche Rolle (auch wenn sie es nicht immer zugegeben haben). Zunächst ist zu sagen, dass das Tierarzt-Leben mit einer Kosten verschlingenden Praxis nun auch nicht wirklich in Luxus schwelgt mit 2 Mal Urlaub in der Karibik und Mitgliedschaft im Golfclub. Nicht selten haben wir Tierärzte kennengelernt, die einen Großteil ihres Umsatzes mit anderen Dingen verdienen: so beispielsweise mit dem Verkauf von Futter und Halsbändern oder auch Workshops und und und... Ein solcher Führerschein würde ja eventuell die Hundeanzahl mindern (dieses Argument kann ich nicht so ganz nachvollziehen, bei Autos hat es jedenfalls nicht zu einer Minderung geführt), befürchten da viele. Was also dann wieder weniger Kunden in der Tierarztpraxis bedeutet.
Interessen der Industrie
Auch die Pharma-Industrie, deren Lobby ja bekanntlich recht stark ist in Deutschland, dürfte sich nicht gerade stark dafür machen. Denn weniger Hunde bedeutet auch für sie weniger Umsatz. Gleiches gilt auch für die Futtermittelproduzenten oder all die Hersteller von Halsbändern, Leinen, Geschirren, Hundebetten und alle anderen nützlichen und auch weniger nützlichen Dingen rund um den Hund.
Interessen der Politiker
Die größte Hürde dürfte aber die Lokalpolitik spielen: Denn schließlich kostet sowohl die Durchführung, als auch die Organisation und Kontrolle eines solchen Führerscheins Personal. Und das bei den chronisch leeren Kassen vieler Gemeinden. Wohl nicht zuletzt deswegen springen zwecks Wählerfangs Politiker auf die populistisch wirksame Forderung nach allgemeiner Maulkorbpflicht auf – ist halt für sie günstiger und einfacher.
Interessen der Halter
Aber hey, was ist mit den Haltern? Die müssten doch ein Interesse daran haben. Wenn man so manche Erlebniserzählung hört oder liest, doch schon aus Eigennutz um weniger unwissenden Haltern zu begegnen oder sonstiges Gassi-Catchen zu vermeiden. Ja, denkste! Denn die Kommentare zu unserer Umfrage zeigten auch: Die Halter sind so fragmentiert, dass sie da wohl schwer eine gemeinsame Richtung finden lässt (nur in einem Punkt waren sich erstaunlich viele einig: Wenn so ein Führerschein, dann eher Schulung des Halters, als die des Hundes). Das erkennt man auch an diversen Gegenargumenten, die einen lehnen es ab, weil sie „schon immer Hunde haben und schon alles weiß“ oder weil sie der Meinung sind „ich habe einen kleinen Hund, der ist nicht so gefährlich, selbst wenn er beißt“. Okay, Letzteres mag ja sogar stimmen, zumindest physikalisch, aber auch ein kleiner Hund kann einen anderen provozieren und somit auch Unfälle der verschiedensten Art hervorrufen (schließlich haben Hunde keine Vortellung von ihrer Größe, d.h. kleine Hunde wissen nicht, dass sie klein sind und große Hunde nichts von ihrer Größe; sie sehen sich eben nur als Hund) – teils eben auch mit Gefahr für sich und sein(e) Halter(in). Kein vernünftiger Mensch würde sich auch bei kleinen und schwächlichen Kindern die Erziehung sparen oder sich dem Wissen um die Bedürfnisse dieser Kinder versperren. Auch juristisch ist so ein Ansinnen wohl schwer durchsetzbar, wenn man den Gleichheitsgrundsatz nicht verletzen möchte.
Anders sieht es da schon mit anderen Argumenten aus. Sehr gut gefiel mir der Einwand unserer Blogleserin Anke Füs (Facebook-Name), dass es sich ja bei Hunden quasi um Familienmitglieder handelt und daher ein „Führerschein“ unangebracht wäre. Warum mir das Argument gefiel? Es brachte die wenig beachtete soziologische und emotionale Perspektive ins Spiel und stellte den Hund ins Zentrum. Sicher, das Auto ist – gerade in Deutschland – auch ein „soziologischer Faktor“, spielt im Leben vieler auf irgendeine Weise eine zentrale Rolle und so mancher Autonarr verspürt romantische (oder gar erotische) Emotionen beim Anblick seines Traumautos. 😉 Dennoch sehen zumindest die meisten Leute das Auto nicht als Familienmitglied – oder die sind mir nur noch nicht über den Weg gelaufen. 😃
Ebenfalls gut fand ich auch den Einwand von Stefanie Alex (Facebook-Name), dass besonders für sehr alte Menschen der Hund manchmal der einzige Sozialpartner ist und ihnen so auch eine emotionale Stütze. Doch gerade sehr alte Menschen sind oft gebrechlich und das Lernen fällt auch vielen nicht mehr so leicht wie mit 12 Jahren. Nun, ich finde, für solche Leute sollte es eh „Ausnahmeregelungen“ geben – schließlich haben sie sich das durch ihre Lebensleistung auch verdient. Aber könnten hier nicht mal Ärzte, Senioren-Betreuer und Tierheime zusammenarbeiten? Nur mal so als Idee... 😉
Ein anderes Leser-Gegenargument, sehe ich ambivalent: Durch einen Führerschein, könnten sich gerade die Nicht-Wohlhabenden unserer Gesellschaft keinen Hund mehr leisten. Emotional gesehen, find ich das mist. Denn schließlich sagt das Bankkonto nichts über die Beziehung zum Hund – und unseren Fellfreunden ist es eh egal. Doch rational gesehen, muss ich eingestehen, ist es auch realitätsfremd. Denn Hunde kosten nun mal Geld – und das sollte sich auch jeder Halter vor der Anschaffung bewusst machen. Und wenn es dem Wohle unserer Hunde dient, so finde ich das Geldargument auch ziemlich schwach – zumal es ja auch genügend Scharlatan-Angebote auf dem Markt gibt, die nur auf rücksichtslose Geldmacherei aus sind. Aber wie bekomme ich nun meine emotionale und rationale Perspektive in Einklang? Nur so eine Idee: Aber wäre sowas nicht auch eine tolle Aufgabe dann für Tierschutzvereine, solchen Menschen zu helfen? Oder: Wie wäre es, wenn die Gebühren für so einen Führerschein dermaßen gestaltet werden, dass ein Teil davon in einen Fonds fließt, mit dem dann nachweislich Bedürftigen geholfen wird? Wäre doch auch ein toller Akt der Solidarität unter Hundehaltern.
Die zentrale Frage ist doch: Was ist das Beste für unsere Hunde? Foto: Ruggero De Pellegrini |