Was guckst du? © Foto: Antje Hachmann |
Mein menschlicher Partner hat sichtliche Mühe mich zu bändigen, geschweige denn mich zu beruhigen (wenn ich meinen Partner und mich bedroht sehe, versteh ich keinen Spaß mehr!) *grrrrrr* Doch der Kerl geht nicht, bleibt stehen, schaut mich direkt an (übrigens: in Hundesprache ist so ein "Anschauen" ähnlich wie das Fixieren unter Artgenossen eine Provokation). Er quatscht uns sogar nochmal an, fragt meinen Maximilian, ob er Feuer hätte, was der mit einem zwar knappen, aber nicht unfreundlichen "Nein" beantwortete (hey, er war vollauf mit mir beschäftigt). Doch der Kerl quatscht weiter: "Aber du hast doch eine Zigarette..." Und da bemerkte ich, wie sich die Prioritätenliste meines 2-Beiner urplötzlich änderte...die richtige Pädagogik war nun nicht mehr an oberster Stelle, jetzt musste es offenbar schnell gehen...semi-telepathisch wusste ich auch im nächsten Moment warum: zuvor war nur ich das Problem, mit dem er sich beschäftigen musste, doch jetzt hatte er auch den Kerl im Nacken... Für mich bedeutete das: Maximilian zog mich am Griff am Halsband zurück, hinter sich, kümmerte sich nicht mehr um mein Gebell *grrrrwooaaff*, drehte sich zu dem Betrunkenen um und sagte ihn einem seltsam lauernden und etwas lauterem Tonfall (wohlgemerkt, während er beide Hände brauchte um mich zurück zu halten): "Mit welcher Hand soll ich dir denn Feuer geben?" (wobei er das Wort "Feuer" ganz besonders betonte...)
Auf so 'nem Gassigang passieren manchmal die dollsten Dinger... *ohrennachvorn* |
Irgendwie bezweifle ich ja, dass der Betrunkene die Mehrdeutigkeiten in dieser Frage alle begriff, aber es reichte ja, wenn er nur eine halbwegs intellektuell erfasste. Was ihm nach 2 quälend langen Sekunden auch endlich gelang: irgendwas murmelnd trollte er sich. Sogleich wand sich Maximilian wieder seinem vorherigen Gesprächspartner zu, atmete einmal laut ein und aus, entschuldigte sich und sprach als sei nichts gewesen wieder darüber, was sie zuvor besprochen hatten... Etwas verdutzt fragte sein Gegenüber, ein Anwalt: "Wie können Sie dabei nur so ruhig bleiben? Ich hätte schon längst den Hund auf so jemanden gehetzt." Da hörte ich sie wieder, die Standard-Antwort meines Cerebral-Interfaces: "Nein, Aufregen wäre kontraproduktiv, weil ich damit den Hund nur weiter aufschaukeln würde. Außerdem, gerade Sie als Jurist sollten doch wissen, das es einfacher ist, wenn ich Schwierigkeiten bekomme, als wenn der Hund sie bekommt oder sogar jemanden verletzt. Zudem hilft Humor, und irgendwie sind solche Leute ja auch unfreiwillig komisch...leider." Doch das ist nur die halbe Wahrheit...
Immer wieder spannend... |
Warum ich euch das erzähle? Nun, so ähnliche Situationen kommen immer wieder mal vor, recht häufig wird mein 2-Beiner von Bekannten und Unbekannten darauf angesprochen. Und heute darf ich ein Geheimnis lüften! (Er redet darüber so selten, weil die Meisten es wohl nicht oder falsch verstehen...glaubt er, ich denk' da aber anders.) Seine Standard-Erklärung ist nur die halbe Wahrheit, deckt sie doch nur die kognitive Ebene ab. Damit blockiert er quasi seinen Verstand, sich den in dieser Situation kontraproduktiven Emotionen hinzugeben. Aber damit kontrolliert er nicht seine körperlichen Reaktionen, das wäre ja auch einfach. Nur denken, ich will nicht sauer werden und schwupps ist man nicht wütend... Also, wie schafft es mein Cerebral-Interface seinen Körper und die in Jahrmillionen der Evolution entwickelten Reflexe zumindest etwas zu überlisten? *schwanzwedel* Ich will es nicht so spannend machen: Atemkontrolle. Jawohl, ihr habt richtig gelesen (und nein, es hat nichts mit BDSM zu tun), er kontrolliert seinen Atem und beeinflusst somit auch seinen Körper. Vielleicht habt ihr ja schon gemerkt, wenn ihr aufgeregt seid, dass ihr dann kurzatmiger werdet...ihr atmet eben auch aufgeregter. In so einer Situation kann ruhiges, tief gehendes Ein- und Aus-Atmen sehr beruhigend wirken. Ebenso kann schnelles Atmen helfen, wenn man sich schlaff und müde fühlt...
Bin ich froh, dass wenigstens du die Ruhe behältst Maxi...meistens jedenfalls 😉 |
Nun fragt ihr euch, woher er auf die Idee kam. Nun, einige von euch wissen ja, dass er als Kind mit asiatischen Kampfkünsten begann (erst Judo, später Karate, noch später Wing Tsun, auch mal nen Tai-Chi-Kurs). Die arbeiten ja auch viel mit Atemtechniken, und deren Wirkung ist sportmedizinisch und physikalisch nachgewiesen. Nun ist Kampfsport ja nicht jedermanns Sache, und ehrlich gesagt, macht es auch keinen Sinn jetzt in so eine Schule zu rennen, denn bis ihr das mit den Atemtechniken drauf habt, dauert es eine Weile. Aber vielleicht beschäftigt ihr euch mal mit dem Thema Atemtechniken oder besucht mal einen Kurs? Auch Imaginationstechniken können helfen, also man denkt an beruhigende Bilder wie ein Baum der sich sanft im Wind bewegt, Wellen, die sich langsam am Strand brechen... Es soll ja auch andere Methoden geben, wie ihr Menschen euch beruhigen könnt, hab mal was von Autogenem-Training und Yoga gehört beispielsweise. Apropos, Maximilian sagt ja öfter mal: "Statt die x-te Hundeschule zu besuchen, sollten viele Halter besser mal nen Yoga oder Tai-Chi Kurs belegen...da hat der Hund dann auch mehr von." Und es hilft euch Menschen darüber hinaus auch in anderen stressigen Situationen in eurem Alltag.
PS: Glaubt aber nicht, dass das immer klappt! Insbesondere Morgens, bei der 1. Gassirunde, da ist mein 2-Beiner noch in so einem halb-meditativen Zustand...da vergisst er auch mal das richtige Atmen in solchen Situationen ;-)