Klar! Oder doch nicht...?
Wir befinden uns im Jahr 2016 – mitten in Deutschland in einem der vielen Ausbildungsvereine. Wir stoßen auf veraltete Trainingsmethoden, auf Kettenwürger und Stachelhalsbänder, aber auf keine Erlaubnispflicht für Hundetrainer nach § 11 TierschG. Das Gesetz will es so. Doggenmix Rico vom Gassireport hinterfragt.
Wie anders ist doch mein kleiner Rico. Mit viel Spaß ist er bei der Sache. Ganz ohne den Stress – ja, mit viel Freude. Wir laufen entspannt das Schema für Begleithunde – kann man ja immer wieder mal einbauen beim Gassigehen. Mein kleiner Doggen-Wookiee läuft gut bei Fuß (gut, nicht so „angeklebt“ wie ein Schäferhund, er hat als Molosser halt ein eigenes Distanzbedürfnis – so wie ich). Ich wechsle das Tempo, beinahe zeitgleich beschleunigt er auch. Dann werd‘ ich langsamer, nahezu zeitgleich auch Rico…
Rico mag die Übungen zur Unterordnung, aber keinen "Vereinsdrill" Foto: Ira Prettycloud |
Wie anders war die Situation dagegen in diversen Sportvereinen. Meist ging der Stress schon auf dem Parkplatz los. Nicht zuletzt auch wegen der vielen bellenden Hunde – in Boxen. Daher hielt der Stress auch an, bis wir an der Reihe waren. Das Rausholen von Rico war für mich dann meist das viel größere Abenteuer als das Training auf dem Platz – auf die Hinterbeine stellen und mit ganzem Körper blockieren (das heißt bei dem kleinen Doggen-Wookiee von knapp über 40 Kilo so halb auf meinen Armen) inklusive. Auf dem Platz angekommen, wischte ich mir nicht selten die Schweißperlen ab – dabei hatte das eigentliche Training noch gar nicht angefangen.
Dezente Fragen nach dem Sinn solcher Boxen wurden nicht selten abgebügelt. Manchmal rühmte man sich auch damit, dass ja die Gesetzesnormen erfüllt werden oder man sogar knapp darüber liegt. Aha, na hoffentlich interessiert sich der Hund darin dann auch für die gesetzlich vorgeschriebene Mindestgröße. So verfährt man mit Sportgeräten, die sperrt man in einen Spind, aber doch keine Trainingspartner! Hm, wie wäre es, wenn wir die Fußballer auch in entsprechende Boxen stecken vor einem Spiel – mindert vielleicht das Verletzungsrisiko in der Umkleidekabine. So knapp über Sarggröße müsste doch reichen für so einen Fußballspieler, was meint ihr? 🙂
Interessant fand ich auch, wenn da auf Gesetze verwiesen oder sogar angegeben wurde, dass man die Norm (über-) erfüllt. Denn nicht selten waren das die gleichen Leute, denen es egal war, tierschutzrelevante Methoden beim Training einzusetzen – vom Würger ohne Stopp bis hin zu Stachelhalsbändern oder Teletakt. „Äh, warum das? Hier gibt es doch auch Gesetze, oder?“, wollte ich nicht selten wissen und stellte mich wie so oft bei solchen Gelegenheiten besonders dumm. Häufigste Antwort: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Aha, na dann bin ich ja froh, dass niemand von denen damals bei der Erfindung des Rades dabei gewesen ist…
Diesen Satz hatte auch die Sachverständige Mona Göbel schon häufiger als Begründung gehört. Aus ihrer Erfahrung weiß sie: „Sämtliche Gebrauchshundevereine, besonders die, die auch Schutzdienst-Ausbildung (VPG) anbieten, müssen kritisch gesehen werden. Vor allem in Schäferhundvereinen und Rottweilerklubs habe ich so manch tierschutzrelevante Ausbildungsmethode erlebt. Teilweise auch in anderen Hundesportvereinen, aber da meist in abgemilderter Form – zumindest was den Bereich „Unterordnung“ angeht. Hier habe ich schon häufiger den Einsatz von Stachler oder Würger beobachtet.“
Und dennoch brauchen Vereinstrainer keine Erlaubnispflicht (nach § 11 TierschG) wie andere Hundetrainer. Ist das fair? Nun, juristisch korrekt ist es: denn sie trainieren ja nur privat und nicht gewerblich – so das häufigste Argument. Hier auch wieder die Frage: Ob sich der Hund für solche juristischen Spitzfindigkeiten interessieren würde? Wohl kaum. Weil es eben schon so schön war, projizieren wir es doch wieder auf die Menschenwelt: Dann wären also sagen wir mal dazu „härtere“ Methoden erlaubt, sofern es nur privat bleibt … Hm, mal überlegen: Also beim Sport darf der Junior dann beim Kickboxen auch ohne Mundschutz trainieren oder Töchterchen ohne Helm reiten – ist ja nur privat. Als Profi bekommt er natürlich die Deluxe-Schutzausrüstung. Klar, der Hund ist kein Mensch – aber ein Familienmitglied! So kann ich verstehen, wenn sich Hundetrainerin Ixe Schäfer echauffiert: „Wenn es wirklich um Tierschutz gehen soll, dann muss jeder seine Qualifikationen nachweisen – dazu gehören für mich ALLE Trainer, egal ob aus einer Hundeschule oder einem Verein. Gewerblich, wie es immer heißt, ist irrelevant. Gleichermaßen gehören die Halter in die Pflicht genommen. Sie tragen die Verantwortung gegenüber ihrem Hund und der Gesellschaft.“
Zumal es auch in anderer Hinsicht irrelevant ist: Nicht selten haben sich um solche Vereine kleine „Industrien“ angesiedelt – vom Hundeshop bis zur Physiotherapie. Von den Züchtern ganz zu schweigen – und so ein ausgebildeter Schutzhund kann schnell über 10.000 Euro kosten.
Immerhin scheint sich ein neuer Trend abzuzeichnen: „Der moderne Hundesport für private Zwecke ist nur Spiel – wenn er seriös ausgeführt wird. Es basiert auf Beutespielen, so sieht man beispielsweise, dass die Hunde auf den Beißarm fixiert sind, sofort loslassen und nicht mehr zubeißen, sobald auch der Mensch ihn loslässt – es geht nur um das Spiel, ähnlich wie mit einem Ball. Also reines Beutespiel um ein Spielzeug und keine Mannschärfe“, sagt die Hundetrainerin und Sachverständige Manuela Schüer. Zwar kennt auch sie Schwarze Schafe, „aber die gibt es überall“. Manuela weiß aber auch: „Bei guten Trainern, die die Hunde lieben, wird schon seit einiger Zeit ein Hund und seine Muskulatur langsam aufgebaut, vor dem Training gibt es meist eine Aufwärmphase – ähnlich wie beim Menschensport ja auch. Außerdem achten sie auch auf gesundheitliche Aspekte. Dieser Trend wird immer stärker.“ Allerdings wie schon gesagt, gibt es rund um einige Vereine schon kleine „Geschäftsnetzwerke“, und Halter sollten auch hier kritisch bleiben und sich nicht alles aufschwatzen lassen.
Bei allem Training darf der Spaß nie zu kurz kommen! Foto: Ira Prettycloud |
Sicher, auf dem Platz, da hatte Rico auch Freude daran, sofern ich ihn führte… Doch wenn ein „Trainer“ etwas vorführen wollte, nicht selten sträubte er sich dagegen, was die „Trainer“ meist mit mehr Gegendruck zu beantworten suchten… keine so gute Idee bei einem Molosser. Schon mal gar nicht, wenn er meinen Dickkopf zusätzlich widerspiegelt. 😉 Meist hörte ich dann von Trainern einen Vorwurf (zumindest meinten sie es vorwurfsvoll, ich fasste es irgendwie eher als Kompliment auf): „Das liegt daran, weil der so ’ne starke Bindung zu dir hat!“ Seltsamerweise waren das oft die gleichen Leute, die uns vorwarfen, dass unsere Bindung nicht so gut sei, weil Rico nicht so an meinem Bein kleben würde (zur Info: Ich mag so ein Aneinanderkleben selber nicht – insofern kannte ich den Vorwurf zwar schon, aber dann eher von Ex-Freundinnen als von Hundetrainern). Naja, viel Logik fand ich eh nicht in solchen Vereinen – einzelne Personen als Ausnahmen gab es aber immer.
Und so begriff ich schnell, dass es vor allem die Interaktion mit mir war, die Rico Freude bereitete – nicht der Verein und vor allem nicht das Drumherum. Na prima, dann kann ich meinem Döggelchen ja den Stress vorher und nachher ersparen – mir somit auch. An Hundesport haben wir weiterhin Spaß (auch wenn jeder Vereinsrichter wohl die Hände und seine Hunde die Pfoten über die Köpfe schlagen würden). Und so sieht man uns zuweilen im Park oder am Rhein immer wieder das Schema laufen – nicht perfekt, aber ohne unnötigen Stress, ohne enge Boxen oder gar Würger, aber dafür mit viel Spaß und Freude.
Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 10/2016; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Manche Trainer sind wohl "gleicher" als andere - statt Logik lieber Rosinenpicken.
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