Gehorsam, Bindung, Sozialisation mit dem Menschen, der Umwelt, anderen Artgenossen – all das und noch viel mehr ist immer wieder Inhalt von Kursen im Hundetraining und Diskussionsthema in den Sozialen Medien. Doch – für mich erstaunlich – kommt ein Wort dabei selten vor: Vertrauen. Dabei ist es doch eine der Grundlagen einer jeden guten Beziehung.
Vertrauen ist die Basis einer jeden guten Beziehung! Foto: Lutz Borger |
Von Weitem beobachte ich die Szenerie: Auf der ausgewiesenen Freilauffläche läuft eine Dame mit ihrem Hund, offensichtlich ein Labrador. Der Hund nimmt Anlauf, wahrscheinlich will er über den Baum springen, doch Frauchen ruft ihn zurück. Dann möchte er ins Wasser, was ja gerade bei Labradoren nicht wirklich verwundert, aber Frauchen ruft ihn zurück. Er schnappt sich ein Stöckchen, doch Frauchen ruft ihn auch hier zurück.
Nun, die Liste ließe sich noch um drei bis vier Beispiele verlängern. Aber viel interessanter war ihre Reaktion, als sie uns erblickte. Mittlerweile hatte ich mit ihrer ersten Reaktion schon gerechnet: Sie rief ihren Hund, der schon auf uns zulief, wieder zurück. Auch dass sie ihn an die Leine nahm, wunderte mich nach den Beobachtungen nicht. Eventuell war der Hund ja krank oder hatte eine Vorgeschichte, weswegen sie den Kontakt auf der Freilauffläche meiden wollte. Aber dass sie ihn dann auch noch ganz kurz nahm, wo doch genügend Platz war, um uns im weiten Bogen auszuweichen, DAS machte mich dann doch etwas stutzig. Daher fragte ich nach: „Verzeihen Sie meine Neugierde, aber warum nehmen Sie ihren Hund so an die kurze Leine? Immerhin ist doch genügend Platz auf dieser großen Freilauffläche, wo wir uns beide im großen Bogen aus dem Weg gehen könnten.“
Ihre Antwort ließ mich noch lange Zeit darüber grübeln: „Ich vertraue nicht darauf, dass die Situation so entspannt bleibt, wie es jetzt wirkt.“ Okay, das hat man zu akzeptieren, und schließlich gab es ja noch genug andere frei laufende Hunde, mit denen mein Döggelchen ausgelastet spielen konnte. Dennoch ging mir ihr Satz nicht mehr aus dem Kopf. Hatte sie kein Vertrauen zu ihrem Hund? Alle Indizien sprachen dafür. Aber wenn sie ihrem Hund nicht vertraut, wie stand es dann um das Vertrauen ihres Hundes in sie?
Ich erinnerte mich an eine lustige Begebenheit, in der ich das Wort Vertrauen zu meinem Döggelchen sagte, ohne dass es mir so bewusst war, wie in der jetzigen Situation: Es ging um ein Kindergitter, welches nur angelehnt war. Doch mein Doggen-Wookie traute sich nicht, es von sich aus zu öffnen. Hilfe suchend schaute er mich an, mit einer kleinen Spur der Verzweiflung, da er ja zu mir wollte. Doch das nur angelehnte Gitter trennte uns. Also sprach ich Rico an: „Na los, mein Kleiner, das schaffst du schon. Ich hab‘ da vollstes Vertrauen zu dir!“ Erst jetzt wurde mir die Bedeutungstragweite meiner Worte voll bewusst.
Im Wort Vertrauen schwingt ja auch die Bedeutung Zutrauen mit. Ganz besonders bemerke ich es bei unserem Mantrail-Training. Denn dabei muss ich die Führung abgeben an mein Döggelchen Rico. Ich vertraue ihm da (was ja eigentlich auch logisch ist, angesichts meiner Riecher-Inkompetenz im Vergleich zum Nasentalent unserer Hunde). Er läuft vorne weg, erkennt die Spur und weiß so den Weg – weit besser als ich es jemals könnte. Und auch wenn er in dem Augenblick die Führung hat, so hat er bisher nie Anstalten gemacht, die Weltherrschaft anzustreben.
Ähnlich sagte mir auch die Mantrail-Ausbilderin Kerstin Hennings vom SHZ Suchhundezentrum, die Rettungsstaffeln aus- und weiterbildet: „Wenn Hund und Halter eine gute Verbindung haben, sich beide sehr gut kennen, dann kann man sich aufeinander einlassen. Nur so kann auch gegenseitiges Vertrauen entstehen.“
Beim Mantrailing braucht es gegenseitiges Vertrauen... |
Sicher sollte man immer auf seinen Hund achten. Wir werden ja auch nicht müde, das immer wieder in unseren Artikeln oder in unserem Blog zu erwähnen. Aber damit man sich keinen unsicheren Hund heranzieht, er auch hündisches Selbstvertrauen entwickelt, muss man ihm Vertrauen als Halter schenken.
Aber wie bekommt man Vertrauen?
Wie entsteht es? Werden jetzt sicher einige fragen. Nun, das kann man nicht „trainieren“ – wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, warum es in zahlreichen Hundeschulen auch kein Thema ist: es lässt sich damit kaum Geld verdienen. Denn Vertrauen muss man sich verdienen – und das ist oft schwieriger als eben Geld zu verdienen. Am ehesten klappt das mit vielen gemeinsamen Erlebnissen. Dabei lernen beide – Hund und Halter – sich gegenseitig besser kennen und sich so auch einzuschätzen. Das gemeinsame Meistern der unterschiedlichsten Situationen lässt dann auch das Vertrauen wachsen. Denn Hund merkt dabei schnell: Egal was passiert, wenn Frauchen oder Herrchen dabei sind, dann kann mir nichts passieren – denn er passt auf mich auf.
Und so betrachte ich mein Döggelchen, zugegeben mit einer gewissen stolzen Zufriedenheit, wie er sich mittlerweile im Freilauf um mehr als 30 Meter von mir entfernt (anfangs traute er sich nicht mal mehr als fünf Meter zu), völlig selbstsicher auch das Unterholz im Wald durchschnüffelt, völlig gechillt auch die Straßenbahn besteigt und durchs Kaufhaus dackelt (die Gerüche dort interessieren ihn eh meist mehr als die vielen Menschen). Das lasse ich zu, weil das „Zusammenspiel“ klappt, die Regeln und Grenzen bekannt sind, ich ihn kenne und er mich, wir uns eben vertrauen.
Mein kleiner Doggen-Wookiee Rico machte ja die vielen Erfahrungen gemeinsam mit mir und vertraut mir daher. Denn zu jeder guten Beziehung gehört auch Vertrauen – und zwar gegenseitiges!
Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 11/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Vertrauen ist die Basis einer jeden guten Beziehung!
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