Sonntag, 12. September 2021

„Helikopter-Halter“ … verhindern eine gesunde und soziale Entwicklung ihrer Hunde

Ähnlich wie die schon länger bekannten Helikopter-Mütter, so verwehren die Heli-Halter ihren Hunden, eigene Erfahrungen zu machen. Auch wenn es gut gemeint ist, die logische Konsequenz dieser geistigen Kasteiung: Unerfahrene und daher auch unsichere Hunde, für die jede Hundebegegnung zum Stressfall wird und das Gassigehen schon Angst einflößt.

Entspannt laufen wir auf den Düsseldorfer Rheinwiesen. Da kommt uns eine Dame mit Hund entgegen. Nichts Ungewöhnliches hier, denn es herrscht unterhalb des Deiches kein Leinenzwang, daher ist es auch weit über die Grenzen der Stadt als Gassigebiet beliebt. Daher wunderte ich mich auch nicht, dass ihr Hund nicht angeleint war. Mein Döggelchen Rico war es ja auch nicht. Doch dann schrie sie plötzlich wild auf. Wegen der Entfernung verstand ich ihr hysterisches Gekreische zunächst nicht. Als ich näher kam, lief Rico bereits auf ihren Hund zu, der sich sichtlich freute, einen Spielgefährten zu treffen. Jetzt verstand ich auch endlich ihre Worte, die sie in einer Tonlage schrie, die in etwa so angenehm war wie das Kratzen einer Gabel auf dem Teller: „Rufen Sie gefälligst Ihren Hund zurück!“ Etwas verwundert, befanden wir uns doch in einer ausgewiesenen Freilauffläche, fragte ich nach dem Warum. Ihre Antwort: „Ich möchte nicht, dass mein Hund mit anderen Hunden Kontakt hat. Das ist mir zu gefährlich.“

Hunde wollen und brauchen den Kontakt zu Artgenossen
Foto: Lutz Borger

War das wieder einer dieser „Helikopter-Halter“, die ihrem Hund jeglichen Kontakt mit Artgenossen verwehren und ihm nicht erlauben eigene Erfahrungen zu machen? Aber vielleicht war der Hund ja auch alt oder krank … Daher sagte ich ihr, dass sie sich hier auf einer Freilauffläche befände, es daher nur logisch und somit vorhersehbar wäre, dass sie hier anderen frei laufenden Hunden begegnen würde. Aber Logik schien nicht so ihr Hobby zu sein. „Ja, ich weiß und das nervt mich auch. Also nehmen Sie Ihren Hund gefälligst jetzt an die Leine!“ Der Befehlston weckte jetzt nicht gerade meine „freundlich-kooperative“ Ader, zumal die Dame wohl zu der Sorte ­gehörte, die dachte, dass die Welt sich um sie dreht. Daher antwortete ich: „Gute Frau, auch wenn Logik nicht so Ihr Hobby ist, wenn Sie keine Hundebegegnungen wollen, sollten Sie gefälligst nicht auf eine Freilauffläche kommen und anderen mit Ihrem Ultraschall-Gekreische das Trommelfell perforieren.“

Während die Dame noch um Luft und Worte rang, schlenderten das Döggelchen Rico und ich weiter (den ich nun zu mir gerufen hatte, auch wenn mir der in freudiger Erwartung hüpfende und jaulende Hund der Frau leid tat). Solche und ähnliche Begegnungen häufen sich in letzter Zeit. Offenbar werden es immer mehr dieser Helikopter-Halter. Okay, ihre Motivation ist häufig gut gemeint: Sie wollen möglichen Schaden von ihren Hunden abwenden. Kann ich sogar ­nachvollziehen, schließlich mache ich mir um meinen kleinen Doggen-Wookiee ja auch schon Sorgen, wenn er nur einmal zu viel hustet. Aber nur weil etwas gut gemeint ist, muss es nicht auch gut und richtig sein – das ist zwar eine Binsenweisheit, aber offenbar eine, die viele Hundehalter dieser Sorte nicht kennen. Schließlich nimmt man dem Hund damit die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln und daran auch zu wachsen. Ja, mehr noch, im Extremfall verhindert es die Sozialisation mit seinen ­Artgenossen.

Spielen mit einem Hundekumpel macht ja so viel Spaß
Foto: Brigitte Klemke


Offenbar haben die nie was von den so genannten Kaspar-Hauser-Versuchen gehört – dabei kann man es einfach in Wikipedia nachlesen. Die gab es nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen. Ziel war es, angeborene Verhaltensweisen zu erkennen – also diejenigen, die genetisch verankert waren. Bei Tieren besonders umstritten waren dabei die Versuche an Rhesusäffchen. Die Konsequenzen dieser Deprivation (vom lateinischen deprivare=berauben – auch diesen Begriff kann man in Wikipedia nachlesen) kann man sich lebhaft vorstellen. Bei Menschenkindern führte das – gelinde gesagt – zu Verhaltensauffälligkeiten – oder auf den Punkt gebracht: zu geistigen Störungen.


Bereits im Altertum berichtete Herodot von Experimenten an Kindern. Es war der Pharao Psammettich I., der die Ursprache der Menschen erfahren wollte. Er gab einem Hirten zwei neugeborene Kinder und befahl, diese so aufzuziehen, dass sie niemals ein gesprochenes Wort vernehmen sollten. Er wollte auf diese Weise herausfinden, in welcher Sprache die Kinder zuerst ein Wort sagen würden. Die Geschichtswissenschaft verortet diese Geschichte ins Reich der Mythen, aber sie zeigt auch, dass es solche Experimente gegeben haben muss (wenn auch wahrscheinlich nicht vom besagten Pharao). Im 13. Jahrhundert war es dann Kaiser Friedrich II., der die Ursprache mit ähnlichen Versuchen finden wollte. Deshalb ließ er einige neugeborene Kinder ihren Müttern wegnehmen und an Pflegerinnen und Ammen übergeben. Sie sollten den Kindern Milch geben, dass sie an den Brüsten saugen könnten, sie baden und waschen, aber keinesfalls mit ihnen kosen und zu ihnen sprechen. Das Ergebnis: Die Kinder starben.

So mancher gluckenhafte Helikopter-Halter gehört auf die psychologische Couch... 😉😂


Okay, sicher, jeder Vergleich mit Menschen hinkt natürlich. Aber beide, Mensch und Hund, sind soziale Wesen. Nimmt man ihnen das, so läuft einiges in deren Entwicklung falsch. Nicht zuletzt deswegen waren die Experimente von Harry Harlow an jungen Rhesusaffen stark umstritten. Denn soziale Wesen brauchen sozialen Kontakt und Zuwendung. Ohne das verkümmern sie. Also liebe Heli-Halter, denkt mal darüber nach, bevor ihr euren Hund quasi geistig kastriert. Auf jeden Fall beschneidet ihr seine Lebenstauglichkeit!


Und es heißt ja nicht umsonst, dass Hunde, die viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht und viele unterschiedliche Artgenossen kennen gelernt haben, die entspannteren Fellfreunde sind. Ist ja auch irgendwie logisch: Denn je mehr wir erfahren und lernen, umso weniger können neue Situationen Angst machen und umso selbstsicherer reagieren soziale Wesen wie unsere Hunde darauf.


Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 09/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Aus Angst verbieten Helikopter-Halter ihren Hunden den Kontakt zu anderen, doch Angst ist ein schlechter Ratgeber


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Donnerstag, 9. September 2021

Doppeltes Jubiläum: Eine neue Hunde-Phase beginnt

Vor 9 Jahren trafen wir aufeinander - nur 1 Jahr später startete unsere GASSIREPORT (daher auch doppeltes Jubiläum). Vom ersten bewussten Augenblick hat Rico mein Leben verändert. Sogleich weckte er in mir Facetten, die ich nur noch als leise Erinnerung in mir trug. Die Welle an Gefühlen und Erinnerungen war bei unserem ersten Zusammentreffen so groß, so gewaltig, fast wie ein emotionaler Tsunami, dass mir Tränen aus den Augen kullerten (zum Glück trug ich eine Sonnenbrille). Ich wusste, nein spürte es sogar: Du bist was Besonderes!

Viel haben wir zusammen erlebt. Du lerntest die pulsierende Stadt und das platte Land kennen; warst am Meer, im Moor, auf Messen; hast die unterschiedlichsten Hunde beschnüffelt usw. Doch bei allem was ich dir zeigte und dir beibrachte, irgendwie hab ich jedes Mal mehr gelernt als du. So gesehen, bist du sogar mehr mein Lehrer als ich für dich.

Seit nun 9 Jahren ein Team! 🐾🐾👍

Damals gab ich dir ein Versprechen: Ein Leben für ein Leben! Ich zeige dir meine Welt, dafür du mir deine.
Ich opferte mein bis dahin geführtes Leben, damit ich es mit deinem teilen kann. Kündigte sogar meinen Job. Ob ich es bereue? Nein, niemals, auch wenn es manchmal schwierige Zeiten waren, sowohl beruflich, als auch privat - aber was ich durch Rico erlebte und lernte wiegt alles auf.

Der graue Rico

Mittlerweile sind wir so zusammengewachsen, dass jeder den anderen spürt, als wäre er ein Körperteil. Schlafe ich tief und fest, bekomme ich nichts mit, doch er schafft es nur mit einem Blick mich zu wecken. Rico ist sowas wie ein anaimalischer Bruder für mich. Grau ist er geworden, so langsam zeigt sich auch das Alter. Alles geht nun etwas langsamer, lange Tagesmärsche sind nicht mehr so sein Ding - und ein wenig kauzig wird er auch lagsam. Dank Ricos charmanten Art ist diese Kauzigkeit aber noch recht amüsant... Zumal die sich meist eh in deinem Umgang mit Leon zeigt.

Apropos Leon: Er kam zwar nicht im September zu uns, dennoch feiert er mit. Denn so anders er auch ist, dennoch ist er eine große Bereicherung für unser Rudel. Immer wieder schaue ich zu, wie Rico mit ihm umgeht und wie er ihn auch mal zurechtweis - zugegeben: nicht ohne einen gewissen Stolz. Nein, nicht auf mich, sondern auf Rico. Ohne ihn, hätte ich den kleinen Wirbelwind, den Molosser auf Speed und Dreifach-Dickschädel mit Ambitionen zur Abrissbirne nicht so gut hinbekommen (obwohl wir noch zahlreiche Baustellen haben!).

Leon ist längst Teil des Rudels...

Mir ist durchaus klar, dass wir nun weniger gemeinsame Jahre vor uns haben, als wir zurück blicken. Doch daran denke ich noch nicht. Lieber konzentriere ich mich auf dich, genieße jeden Tag mit dir und lerne immernoch Neues. Und so feier ich mit dir unser doppeltes Jubiläum und freue mich auf diese neue Phase mit dir, mein alter Bruder Rico.


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