Freitag, 4. Dezember 2015

Beschreibung eines Gefühls: Wenn Rico fehlt...

© Foto: Antje Hachmann

Kennt ihr das? Dieses wohlig warme Gefühl, welches sirupgleich langsam die Innenseite der Haut heruntergleitet? Dabei diesen Kloß im Hals? Und dann dieses Kribbeln an den Herzwänden? Mal kitzelnd wie kleine Ameisen, mal juckend wie Brennessel, mal lodernd wie Flammen?

© Foto: Antje Hachmann

Genau das sind – im Groben und nur unzulänglich beschrieben – die Gefühle die ich bei meinem Hund habe. Doch gerade weil es so schwierig ist, in Worte zu packen, was genau ich für meinen Hund empfinde, beschreiben es die Gefühle, die ich bei seiner Abwesenheit habe vielleicht besser.

Einige von euch wissen ja vielleicht, dass Rico aus dem Tierheim stammt. Er war eine Beschlagnahmung durch den Amtsveterinär, weil er und seine Geschwister die ersten 11 Wochen nur einen völlig verdreckten Keller kannten. Von daher war seine Verlustangst anfangs recht stark. Sonst ein Traumhund, der nie eine Socke versteckte oder ‘nen Schuh zerkaute, zerfetzte er dann gern vorzugsweise was aus Papier, auch wenn ich nicht mal eine Minute weg war. Strategisch klug, denn er hatte nur gewartet: Als er groß genug war (also in seinem 1. Lebensjahr), da schredderte er dann die Ledercouch. Gut, mittlerweile hat er begriffen, dass ich immer wieder zurück komme. Und so kann ich ihn auch alleine lassen ohne zu befürchten, die gesamte Wohnung neu einrichten zu müssen – ne zerfetzte Zeitung oder Brief muss ich meistens aber immer noch wegräumen.

© Foto: Antje Hachmann
Nun aber zu mir: Ist mein „Kleiner“ nicht bei mir, so fühl ich mich irgendwie „amputiert“. Aber es ist nicht nur das Gefühl, als fehte was. Nein mehr noch, ich fühle mich wahrlich „eingeschränkt“. Verrückt? Nein, gar nicht. Das kannte ich schon aus meiner Kindheit mit früheren Hunden. Denn so ein Fellfreund erschließt einem eine wunderbare Welt. Im Team nehme ich viel mehr wahr, registriere Dinge, die mir ansonsten entgangen wären… Das liegt daran, dass ich meine Aufmerksamkeit nun „verteile“? Ja, sicherlich. Aber sicher auch, weil mein Hund die Welt mit anderen Sinnesprioritäten wahrnimmt und mir dieses wiederum signalisiert. Kein Wunder, dass viele Anthropologen und Prähistorkiker, die sich mit der Geschichte der Hunde beschäftigt haben, der Meinung sind, dass die Verbindung Hund-Mensch ein nahezu unschlagbares Team bildet.

Doch das ist nur der physische Aspekt der Amputation. Aber sie alleine reicht schon aus, dass ich nach einiger Zeit ohne meinen Hund mich irgendwie unwohl fühle. Wie jemand, der die Welt nicht mehr zur Gänze wahrnimmt – so als sei man in eine abschirmende Watte gepackt, durch die Gerüche, Geräusche und andere Sinneswahrnehmungen nur noch gedämpft durchkommen.

© Foto: Antje Hachmann
Doch mindestens genauso ins Gewicht fällt die emotionale Amputation, die ich empfinde, wenn wir etwas länger getrennt sind. Da ist zunächst das Fehlen all der kleinen Freundessignale, all der Nasenstupser, Pfotentascher, Anlehnen und so manche Clownerie, die so zwischendurch ein Hundehalter erlebt. Doch das wächst und gärt: Irgendwann ist es die pure Abwesenheit, die im Herzen brennt – er fehlt. Freunde haben sogar schon beobachtet, wie meine Nervosität stieg, je länger wir getrennt waren – und sie haben damit Recht (interessanterweise haben Beobachter Ähnliches bei Rico gesehen, wenn ich ging).

Er ist kein Super-Hund. Er kann keine besonderen Tricks, hat keinen edlen Stammbaum oder sonst sowas. Auch singt er weder Mozarts „Zauberflöte“ oder tanzt zu „Dirty Dancing“ (er hat eh eher eine Vorliebe für Hardrock), noch kann er die Zahl Pi bis auf 10 Stellen hinter dem Komma berechnen. Aber er hat eine Superkraft – die für mich wichtigste: Ich fühl mich in seinem Beisein wohl und er bringt mich zum Lachen.

© Foto: Antje Hachmann



(Der Beitrag erschien zuerst als Gastbeitrag in "Die Fabelschmiede" am 15. August 2015 im Zusammenhang mit dem Projekt "Beschreibung eunes Gefühls".)

16 Kommentare:

  1. Wow . Genau so fühle ich auch. Nur dass ich mittlerweile für verrückt erklärt wurde. Leider ist es mir bisher nicht gelungen, so Schöne Worte zu formulieren. Ich kann aber jedes einzelne nachempfinden. Chapeau!

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    1. Verrückt? Wer erklärt dich deswegen für verrückt? *brumm* Ach hör nicht auf die, ignoriere sie einfach...das machen wir Hunde mit unerwünschtem Verhalten auch oft :-) Hauptsache ist, euch beiden gehts gut!!! *bestätigendwuff*

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  2. Deine Worte beschreiben genau mein Empfinden! Patty und ich waren in der letzen Woche für fünf Tage getrennt und ich fühlte mich sooooo unvollständig! Ich habe ihre Schritte gehört, obwohl sie gar nicht da war . . . Was wird wenn . . .Ich darf gar nicht daran denken . . .

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    1. Hm, das klingt nach Hunde-Phantom-Schmerzen... ;-) Sowas ähnliches kennt mein 2-Beiner aber auch ;-)

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  3. Sehr schön beschrieben und wir alle wissen was du meinst. Es fehlt einfach irgendwie ein Teil von sich selbst ohne seinen Liebling. Schöne Worte und danke für den Einblick in deine Gefühlswelt.
    Liebe Grüße

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    1. Danke, das wird meinen 2-Beiner freuen! Übrigens: Früher hätte er wohl nicht so offen über seine Gefühle gesprochen...naja, das war ja auch vor meiner Zeit ;-)

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    2. Du übst einen positiven Einfluss auf ihn ein ;-)

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  4. Vielen Dank, das wird mein 2-beiniges Cerebral-Interface freuen, dass es dir gefällt! Wobei ich dir ein wenig widersprechen muss, auch wir Hunde kritisieren...und maulen auch mal...so zeig ich meinen Unmut oder Kritik gern mal durch ein Brummen :-)

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  5. Wunderbare Worte zu einem großen Gefühl. Ich kann behaupten, dass mich nie jemand mehr geliebt hat, wie meine Elli (auch aus einem Tierheim). Sie begleitet mich regelmäßig zur Arbeit, aber wenn sie mal nicht dabei , fehlt absolut was. Die Konzentration und diese Ruhe fehlt bei mir an solchen Tagen. Denn ein leichter Stups von ihr oder mein Streicheln können an stressigen Tagen soviel bewegen.. Auch bei den Kollegen.

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  6. Sehr schöne Worte zu einem großen Gefühl.
    Ich kann mit recht behaupten, dass ich bisher nie so sehr geliebt wurde, wie von Elli (sie kommt auch aus einem Tierheim).
    Oftmals begleitet sie mich zur Arbeit, aber wenn sie nicht dabei ist, fehlt bei mir Konzentration und Ruhe. Der kleine Stups von ihr.. Mein Streicheln zwischendurch bewirken viel.. Auch Kollegen kommen so "wieder runter".

    Selbst nur das reine Beobachten eines Hundes löst scheinbar schon Glücksgefühle bei vielen aus, so dass selbst morgens in der Bahn nette Gespräche entstehen.
    Danke für deine Schilderung der Gefühle, die mich über meine nachdenken und mich nun wohlig nochmal einschlafen lassen, während Elli neben mir seufzt.
    Lieben Gruß

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    1. Ja, wir haben einen guten EInfluss auf euch 2-Beiner! Wird Zeit, dass das viel mehr von euch erkennen ;-)

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    2. Hey, meine Elli hat schon 2 Kolleginnen die Angst vor Hunden überwinden lassen. Die beiden freuen sich sogar, wenn meine kleine Sambatänzerin ihnen entgegenwedelt - wir sind aufm richtigen Weg

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    3. Ja, da kennen wir auch so den ein oder anderen Fall, der früher Angst vor Hunden hatte und nun mit über 40 Kilo-Hunden spielen :-) Freut mich, dass Elli auch so einen tollen Einfluss auf deine Kollegen hat! Weiter so!

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  7. Ich muss dir voll und ganz recht geben. Als mein kleiner mit meinem freund eine Woche länger in Urlaub blieb da ich schon wieder arbeiten musste fehlte etwas. Es ist wirklich ein Wahnsinn wie schnell man sich aber auch an die kleinen 4beiner gewöhnt. Wir wünschen einen guten rutsch ins neue Jahr
    Liebe grüße Larii&Blue

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    1. Glaub mir, uns fehlt ihr 2-Beiner aber auch... Mensch und Hund sind eben vor Jahrtausenden eine ganz besondere Partnerschaft eingegangen. Und ich bin genauso froh meinen Partner gefunden zu haben, wie Larii bei dir <3

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