Freitag, 9. September 2016

Rico kam und änderte alles - Unser 4. "gemeinsamer Geburtstag" und gleichzeitig auch 3. Blog-Jubiläum (Ricos Geschichte Epilog oder auch Teil 4b))

Da stand er nun vor mir, klein, mit stumpfen und lichtem Fell, Plattfüße, aufgeblähter Bauch...ein kleines Häufchen Elend. Ich spürte, dass wir zusammen gehören. Aber ich zweifelte wegen der Aufgabe...der Zeitpunkt war denkbar ungünstig. Es war der 9. September, als Rico bei mit einzog – und alles änderte.

Unser allererster Gassigang (2012) und ein Jahr später (2013)...

Ich war gerade aus Frankfurt (wo ich als Redakteur für Capital, Financial Times Deutschland, Börse Online und Impulse gearbeitet hatte – gleichzeitig, so ist das in einer Zentralredaktion) nach Düsseldorf gezogen. Hatte versucht mit 1 Monat Urlaub meinen Burnout zu kurieren (ja, ich weiß, wir Kerle spinnen...sagten mir die Ärzte damals auch). Ein neuer Job stand an – als Leiter einer Presseabteilung. Außerdem hatte meine damalige Lebensabschnittsgefährtin selber 2 Hunde um die ich mich mitkümmerte. Der Zeitpunkt sich einen Hund anzuschaffen war also denkbar ungünstig...

Versteht mich nicht falsch, ich bin mit Hunden aufgewachsen (mein Vater und meine Mutter hatten auch schon als Kinder Hunde). Und ich habe mir immer wieder einen Hund gewünscht. Aber dann kam doch alles anders...rückblickend sage ich immer „ich habe mich verführen lassen“. Wobei ich niemanden dafür die Schuld gebe, aber als junger Kerl rutschte ich in den Job des Wirtschaftsjournalisten hinein und hatte schnell kleine und große Erfolge...machte so was wie Karriere...sowohl in Festanstellung als auch als Freiberufler. Und so schob ich die Anschaffung eines Hundes immer vor mir her.

...2 Jahre (2014)....
Foto: Antje Hachmann

Allerdings hatte ich oft Freundinnen mit Hund(en). Einige böse Zungen würden behaupten, ich wäre nur wegen der Hunde mit ihnen zusammen gewesen. Nun, dazu kein Kommentar. :-D Allerdings gebe ich zu, dass ich mit der ein oder anderen Dame länger zusammen geblieben bin als ich es wohl ohne ihre Hunde getan hätte. :-) Aber ich mache mir da nichts vor: In Sachen Hundehaltung war ich in der Zeit in gewisser Hinsicht ein Feigling. Genauer gesagt: ein Verantwortungsfeigling (zumindest was Verantwortung für andere anging). Denn ich nahm alle Vorteile mit, ohne die meisten Alltagsnachteile – schon sehr bequem, aber irgendwie aus meiner Sicht auch eben feige.

Und dann trat Rico in mein Leben – und änderte alles. Schon vom ersten Augenblick. Denn wisst ihr, ich gehöre nicht zu den Menschen, wo sich Verstand und Gefühl oft widersprechen. Freunde, die mich lange kennen, meinen, dass das auch einen großen Teil meines Selbstbewusstseins ausmachen würde. Nun, das mag sein. Aber als Rico das erste Mal meine Aufmerksamkeit gewann, da war das anders...

Sogleich spürte ich die innige Verbindung, die wir haben würden...sofort spürte ich seinen Wunsch mich kennen und vor allem verstehen zu lernen...ich war fasziniert von seiner starken Impulskontrolle und langen Konzentrationsdauer für eine Welpen von knapp 12 Wochen. Und ja, mein Gefühl sagte mir sogleich: Wir sind Partner!

Aber mein Verstand, der widersprach mir zwar nicht, aber meldete Zweifel an: Bist du sicher? Du hattest eine schwierige Zeit und eine nicht weniger leichte steht dir noch bevor (und dabei wusste ich damals noch nicht, dass ich quasi über 1 Jahr nur Krisenkommunikation machte). Und denkt nicht nur an dich, auch an den Hund: Kannst du ihm in der jetzigen Situation überhaupt gerecht werden?

Das war für mich sehr verwirrend. Eben gerade weil ich es nicht gewohnt war, dass Kopf und Bauch sich bei mir so widersprechen. Erst am folgenden Tag tat ich etwas, was ich wohl seit meiner frühesten Kindheit nicht mehr getan habe: Ich schickte meinen verstand zum Teufel und ließ ihn schweigen. So nahm ich Rico auf...und mein Verstand hatte nicht Unrecht, das erste Jahr war echt anstrengend. Das alles zu Managen, Ricos Erziehung, der Job, seine Sozialisation...er musste ja einiges nachholen, dadurch dass er im Keller aufgewachsen war. Nicht selten hatte ich in der Zeit nur 4 oder 5 Stunden Schlaf, manchmal noch weniger (denn als Krisenkommunikator hat man nicht selten bis nach Mitternacht zu tun und muss dennoch um 9 Uhr frisch im Büro erscheinen - und vorher war immer Rico dran). Aber ich habe es nie bereut! Ganz im Gegenteil!

...3 Jahre...
Foto: Katharina von Zitzewitz

Denn auch in anderer, längerfristiger Hinsicht änderte Rico alles bei mir. Eigentlich fing es schon beim ersten Tag ein. Denn wisst ihr, ich war in der hundelosen Zeit...nun ja, ein echter Egoist geworden, ich musste nur für mich Verantwortung tragen und achtete sehr auf meine Freiheit, recht rücksichtslos... Auch das hoch interessante Thema Börse hatte seines wohl dazu getan...aber klar um Karriere zu machen war das hilfreich...aber als Kind war ich anders...

Und dann war Rico da. Und plötzlich trug ich Verantwortung für jemand anderen...ja mehr noch, meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche mussten oft genug zurückstehen...für Rico. Das hat mich nie geärgert. Rückblickend weiß ich gar nicht, wann der Zeitpunkt gekommen war, dass ich mich darüber gewundert habe. Es muss wohl in meinem Sabbatical gewesen sein, wo ich teilweise selber wie ein Hund gelebt habe (bevor ihr Scherze macht, das war metaphorisch und auf den Tagesablauf gemünzt – denn ich hatte das „Abschalten“ verlernt), da hatte ich die Zeit für solche Erkenntnisse.

Die Verantwortung für jemand anderen, die eigenen Wünsche zurückstellen, all das hätte ich früher als Beschneidung meiner Freiheit angesehen. Jetzt nicht mehr. Denn jede Sekunde mit Rico empfand ich als Bereicherung. Heute weiß ich auch warum. Denn nicht ich war sein Lehrer, sondern er auch meiner! Nicht nur was das Abschalten und zur Ruhe kommen angeht... Er lehrte mich viel mehr!

...4 Jahre Partnerschaft!
Foto: Ira Prettycloud

Vor allem lehrte er mich vieles, was ich während der hundelosen Zeit vergessen, ja vergraben hatte. All das, was ich als Kind eigentlich gewohnt war, aber irgendwie auf dem Karriereweg verdrängt hatte. Versteht mich nicht falsch, ich bereue das nicht, Journalist war schon seit meiner Kindheit mein Traumberuf und es war eine tolle Zeit in der ich viel gelernt und sehr interessante Menschen kennen gelernt habe. Aber was ich ans Status und an Geld gewann, das verlor ich irgendwie an Menschlichkeit. Wie gesagt, ich war ein recht egoistisches, rücksichtsloses Arschloch geworden, dem nichts wichtiger war als sein Spaß und sonstige hedonistischen Freuden. Immer schneller, höher, weiter besser. Ein Freund des Multitasking (heute schätze ich vielmehr den Fokus und erreiche damit viel bessere Ergebnisse). Und Freiheit war eines meiner Lieblingswörter. Aber ohne es zu merken, ohne es als Einschränkung zu empfinden, erinnerte mich Rico wieder an mein Ich, an mein wahres Selbst – so wie ich als Kind war, als ich Hunde hatte. Eine sehr gute Freundin brachte es mal auf den Punkt mit den Worten: „Er hat das Kind in dir wieder erweckt.“ Besser kann man es nicht formulieren. Es war vielleicht zu dem Zeitpunkt nicht die vernünftigste Entscheidung, aber auf jeden Fall eine der besten meines Lebens! Ich verdanke dir so viel, mein kleiner Doggen-Wookiee! Und so feier ich diesen Tag, dem Tag deines Einzuges, als unseren "gemeinsamen Geburtstag" an dem für uns beide ein neues Leben begann!

Danke! Das hast du schön lang beschrieben. Eine Kleinigkeit hast du allerdings vergessen: es ist auch unser 3-jährigs Blog-Jubiläum. *schwanzwedel* Ich sag dazu nur: Ich hab dich auch lieb, Partner! *anlehn*


Die anderen Teile meiner Geschichte findet ihr hier:



2 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben, könnte mir das Ganze auch als Buch vorstellen.Wir lassen uns alle zuviel vom Job stressen.

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  2. Zuerst Gratulation zu eurem Dtitten.
    Der Bericht is twirklich wunderbar geschrieben und gibt einen feinen Einblick.
    Einen sonntäglichen Nasenstups von Ayka

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