Ist das noch wahre Freundschaft?
Der Mops gehört zu den Rassen, die besonders unter der Qualzucht zu leiden haben Foto: Eszter Hornyai by pixabay |
Aber da muss mehr sein, irgendetwas passt ihm nicht. Sein Nackenfell sträubt sich. Okay, das ist so mindestens Alarmstufe 3 – je nachdem, wie doll es sich aufrichtet und wie breit, kann es auch zur Stufe 2 übergehen … dann zieht es sich schon am Rücken entlang. Erreicht es dann den Rutenansatz, also Alarmstufe 1, versucht sich Rico als canide Form eines Kugelfisches. Der Hund von Welt hat ja schließlich diverse Meeresdokus im TV gesehen (Rico mag übrigens Delfine). Doch was versetzt meinen Fellfreund so in Rage? Auf den Wettkampf der Nasen lasse ich mich gar nicht ein, da ist er mir haushoch überlegen (während mein Riechzentrum die Größe einer Briefmarke hat, ist seines DIN A4 groß). Doch ich kann nichts sehen und auch nichts hören. Wir biegen um die Ecke – zum Glück war ich vorbereitet!
🐶 Was kommt denn da seltsam röchelnd? *fellsträub* (rico) |
Denn da stürmt uns ein röchelnder kleiner Französischer Bulldog zu. Die Nase als kleiner Knopf eingebettet in Falten irgendwo zwischen den Augen. Das Ringelschwänzchen zuckt mit den wippenden Bewegungen des Hinterteils. Die großen starren Kugelaugen blicken uns an. Keine Ahnung, ob uns der nun freundlich, ängstlich oder aggressiv entgegenkommt. Ich verstehe seine Körpersignale nicht. Naja, ich spreche aber vielleicht auch nicht gut genug die Hundesprache. Ein Blick zu Rico sagt mir jedoch, dass er den Dialekt auch nicht so recht versteht. Wie denn auch? So mit fester Mimik, ohne Schwanz, dann noch dieses röchelnde Geräusch. Letzteres hat Rico auch in Unmut versetzt, hat er es doch lange vor mir gehört. Also antwortet Rico damit, was dem – nach seiner cani-logischen Denke – am ähnlichsten kam. Und das ist in seinen Augen: Knurren!
So weit hat es der Mensch schon geschafft, so weit hat er den biblischen Auftrag umgesetzt, sich die Welt untertan gemacht, dass selbst Artgenossen sich nicht mehr verstehen. Durch Qualzucht erfüllen Hunde zwar die Kriterien von Schiedsrichtern und sammeln so Preise. Ein hundegerechtes Leben oder überhaupt ein beschwerdefreies Leben ist ihnen aber nicht mehr vergönnt. Denn ohne Rute, mit unbeweglicher Mimik, Atemwegen, die nur ein scharrendes Röcheln erlauben, so versteht sie kein anderer Hund (es sei denn, er ist mit ihnen aufgewachsen).
Aber auch andere Rassen sind von Qualzucht betroffen! Als Beispiel sei nur der Deutsche Schäferhund mit seinem stark abfallenden Hinterteil genannt... |
Seit einiger Zeit regt sich der Widerstand: immer mehr Züchter versuchen sich an Rückzüchtungen, wo die Gesundheit im Vordergrund steht und nicht irgendwelche Standards (z.B. Retromops oder Continental Bulldog). Und selbst auf Facebook sammeln sich die Gegner, so beispielsweise in der Gruppe „Schluss jetzt, VDH! – Uns reicht‘s!“. Denn schließlich tun sich das wahre Freunde ja nicht an – und immerhin ist der Hund der älteste Freund des Menschen.
Den Qualzuchtrassen wurden ihre Kommunikationsmittel genommen. Es versteht sie keiner mehr, nicht einmal ihre Artgenossen. In etwa stelle ich mir das so vor, als ob man uns Menschen die Zunge entfernt, die Augen verbindet, das Gesicht mit Botox lähmt und uns in eine Zwangsjacke steckt. Als gelegentlicher Partygag, so als Scharade, mag das sicher lustig sein. Aber so leben? Doch genau so züchtet der Mensch und lässt sich dafür auf Ausstellungen noch feiern. Bleibt zu hoffen, dass nicht irgendwelche Menschen auf die Idee kommen, unseren caniden Freunden die Lippen oder das Hinterteil mit Silikon aufzuspritzen. Auf die dann folgenden Kommunikationsstörungen zwischen Hunden bin ich nicht wirklich gespannt – vor allem nicht, wenn mich der kleine wilde Molosser überrascht. Seiner deutlichen Körpersprache sei Dank! Was kümmern mich da fehlende Pokale, wenn ich dafür meinen Hund verstehe … naja, meistens jedenfalls 😉
Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 05/2016; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Der Frankenstein-Hund.
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