Seitdem das Döggelchen und ich in einem Rudel leben, hat sich viel verändert. Eines ist mir jedoch sofort klar geworden: Das wird nicht einfach – aber auch sehr lustig. Denn so ein Rudel ist mehr als nur die Summe seiner Einzelteile, es entwickelt so seine ganz eigenen Dynamiken. Das erfordert eine erhöhte Aufmerksamkeit, mehr Arbeit, weniger Ruhe und Zeit für sich – aber unterm Strich fällt einem das kaum auf, denn die vielen Lacher dabei wiegen alles auf.
Das komplette Schweizer Rudel |
Smilla schläft noch. Ruhig atmend liegt sie in ihrem Hundebett. Langsam nähert sich das Döggelchen Rico … Gaaaanz langsam zupft er an der Decke auf der sie ruht. Nun, mit der Ruhe sollte es bald vorbei sein. Denn als der kleine Doggen-Wookiee einen Zipfel der Decke ergattert, zieht er daran. So heftig, dass die hübsche Smilla davon wach wird. Sogleich springt sie auf und startet das morgendliche Ritual zwischen den beiden: Fröhliches Deckenzerren.
Noch ahnt Smilla nichts... |
Unter den teils konsternierten Blicken der anderen Hunde spielen und toben die beiden, was das Zeug bzw. was die Decke (aus)hält. Keiner mischt sich ein. Das ist eben ihr gemeinsames Ding. Jedes Mal entlockt es mir ein Lächeln – mehrere Hunde bedeutet halt mehr Spaß.
Aber es bedeutet eben auch mehr Verantwortung und Aufmerksamkeit. Abends auf der Couch dann ist es ganz anders: Rico und Smilla liegen dicht beieinander. Po an Po. Aber dann bewegt sich das Döggelchen ein wenig – nur seine Hinterpfote, mehr nicht. Aber es reicht schon: Sogleich springt Smilla wuffend auf und beschwert sich (die junge Dame hat was dagegen, wenn man ihren Hintern im Schlaf berührt). Daraufhin gefriert Rico augenblicklich zur Statue, wagt es nicht sich zu bewegen. Nur sein Blick spricht Bände: „Was‘n los? Warum zickt das Weibchen jetzt wieder rum? Hab‘ doch nur meine Pfote um einen Zentimeter bewegt …“
Knutschi! |
Auf der "Liebesbank" |
Wichtig für das gegenseitige Verstehen ist da aber selbstverständlich auch das Verhalten der menschlichen Partner. Denn sie sind es vor allem, an denen sich die Hunde orientieren. Dabei gilt es besonders die richtige Rudelbalance aufrecht zu erhalten. Da sind mir mehrere Stichworte wichtig:
Fairness
So individuell ich auch jeden Hund unseres Rudels behandle, schließlich hat jeder so seinen eigenen Kopf, seinen individuellen Charakter, sein diverses Temperament, seine unterschiedliche Tagesform und seine persönliche Vorlieben; so gleich versuche ich meine Aufmerksamkeit aufzuteilen und alle Regeln gelten für alle. So wichtig gerade Letzteres ist, so heißt das nicht, dass nicht mal der ein oder andere Hund gelegentlich eine Sonderrolle genießt (beispielsweise bei Krankheit oder Verletzung, oder aber einfach nur, weil er gerade was besonders Witziges gemacht hat). Hier kann man sich ebenfalls viel von den Hunden abgucken. Ich wundere mich (und zugegeben nicht ohne Stolz) jedes Mal, mit welchem „Gerechtigkeitssinn“ das Döggelchen Rico einschreitet, wenn es mal unter seinen Mädels zofft: Er bellt regelmäßig die an, die angefangen hat. 🙂
Balance
Hier meine ich nicht den Gleichgewichtssinn, den können Hunde eh besser auf einem Baumstamm trainieren; auch nicht die gerechte Futterverteilung (angesichts der Unterschiede zwischen den Hunden wäre das wohl auch eine falsch verstandene, eher menschliche Sicht von gerechtem Füttern – eventuell sogar mit medizinischen Konsequenzen wie Über- oder Untergewicht). Nein, vielmehr meine ich da das Ausbalancieren der unterschiedlichsten Temperamente und Stimmungen. Einfach damit es nicht zu „Spitzen“ kommt, so dass es nie zur Eskalation führt. Meiner Meinung nach unterschätzen da viele Halter noch die Wirkung ihrer eigenen Stimmung. Dabei können sie über die vielfach mehr Einfluss auf ihre Hunde nehmen als mit anderen Signalen. Ein Beispiel: Sind die Hunde besonders aufgedreht, bin ich meist sehr ruhig (was ich am besten durch meine Atmung beeinflussen kann), um sie nicht noch „aufzupeitschen“, ihnen ein Gegenpol zu sein und somit auch einen „Temperamentsanker“ zu bieten.
Regeln
Ob man sie nun mag oder nicht, aber das Zusammenleben mehrerer Individuen funktioniert nicht ohne Regeln. Das gilt für alle sozialen Wesen, die in Gruppen, Herden oder Rudeln leben. Und auch wenn es menschlich absolut verständlich ist, sich gegen einengende Regeln zu wehren, so darf man nicht vergessen, dass diese menschliche Revoluzzer-Denke in dieser Form Hunden fremd sein dürfte. Sie sehen darin nichts Negatives, im Gegenteil, sie geben ihnen Orientierung und somit auch Verlässlichkeit.
Es wären noch viele weitere wichtige Punkte zu nennen, wie beispielsweise die Kommunikation, die Empathie oder einfach nur die Beachtung der unterschiedlichen Altersstufen etc. Wichtiger ist aber, sich aller Unterschiede bewusst zu sein – und sie auch zu genießen! Gerade dieses Individuelle unserer Hunde macht es ja aus. Das sollten sie auch ausleben dürfen. Daher plädiere ich immer wieder dafür: Unterdrücke nie die Individualität deiner Hunde! Und ja, mehr Hunde bedeutet auch mehr Arbeit und vor allem auch mehr Aufmerksamkeit, man hat nie wirklich seine Ruhe als Mensch (was ich seltsam finde, da man ja den Hunden durchaus auch ihren temporären Rückzug gönnt, aber ich habe es bisher nicht geschafft, dem Döggelchen zu erklären, dass auch ich mal meine Rückzugszeit brauche, seitdem wir im Rudel leben). Aber am Ende des Tages wird man auch viel häufiger durch Lachanfälle belohnt.
Bei dem Kontaktliegen, wer braucht da noch eine Decke... |
Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 04/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Zusammenführung eines Hunderudels
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Wo ist eigentlich Leon - der gehört doch auch zum Rudel, oder?
AntwortenLöschenSchau mal auf die Anmerkung am Ende des Beitrages. Der Artikel erschien zuerst in gedruckter Form 2018 in WUFF - Das Hundemagazin.
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