Donnerstag, 23. Dezember 2021

Die Stimmung machts: In der Ruhe liegt die Kraft!

Immer wieder schaukeln sich Situationen hoch, weil Halter nicht gelassen reagieren. Ja, so manches Mal stacheln sie die Aufregung ihres Hundes sogar an – ohne es zu wissen. Dabei kann man die Stimmungsübertragung durchaus aktiv nutzen und damit dann so manche brenzlige Situation entschärfen.

Gedankenverloren, friedlich, entspannt schlendere ich so am Rhein entlang. Ein kurzer Blick zu meinem Döggelchen zeigt: mindestens genauso gechillt schlendert er neben mir – nur mit der Nase wesentlich aktiver als ich. Mit zufriedenem Grinsen denke ich so bei mir: Die Stimmungsübertragung klappt ja mal wieder prima.

Wer uns kennt, weiß, dass das Thema quasi seit den Anfängen unseres Blogs GASSIREPORT (http://gassireport.blogspot.com) mich beschäftigt. Immer wieder fasziniert mich, wie stark Hunde darauf reagieren. Aber genauso oft kann ich mich bei einigen Haltern nur wundern, wie sie diesen wichtigen Kommunikationskanal zu unseren Hunden kontraproduktiv nutzen. Und beinahe wie aufs Stichwort kommt uns eine Halterin entgegen, deren Hund schon von Weitem aufgeregt, ja geradezu hysterisch bellte. Auf diese Entfernung interessierte das Rico gar nicht, erst nach einer Weile gab mein kleiner Doggen-Wookiee mit gerunzelter Stirn ein kurzes Brummen von sich – so als wolle er sagen: So langsam nervt es.


Gemeinsam die Stimmung genießen...
Foto: Ruggero De Pellegrini

Leider fing die Halterin nicht weniger hysterisch an, ihren Hund anzukeifen. Was – ganz canilogisch – zur Folge hatte, dass ihr Hundchen nur noch mehr und aufgeregter bellte. Etwas zynisch dachte ich so bei mir: Bei denen klappt die Stimmungsübertragung auch …

Vielen ist es nicht einmal bewusst, wie kontraproduktiv das ist – selbst erfahrene Hundehalter wissen es oft nicht. Und dabei kennen sie fast alle den Satz des Kommunikationsgurus Paul Watzlawick: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Das gilt auch für die Stimmungsübertragung. Sogar im besonderen Maße! Denn sie findet permanent statt.

Klar, jetzt könnte man natürlich sagen, dass die Stimmungsübertragung ja keine Einbahnstraße ist, sie in beide Richtungen funktioniert – also in diesem Fall vom Hund auf den Menschen. Das ist mir schon klar. Aber anders als unsere Hunde haben wir auch unseren Verstand und unsere Reaktionen sind nicht ganz so stark instinktgeleitet wie bei ihm (wobei ich durchaus schon Menschen erlebt habe, die eine schlechtere Impulskontrolle als so mancher Hund haben – Ausnahmen bestätigen eben auch hier mal wieder die Regel).

Es bringt also nichts, sich auch aufzuregen und so den Hund noch mehr aufzuschaukeln. Daher versuche ich, soweit es geht, mich auch mal den Stimmungen meines Hundes hinzugeben, ich genieße das geradezu. ABER: In solchen „brenzligen“ Situationen, da versuche ich ganz bewusst eher ein Gegenpol zu sein, ihm so auch einen „emotionalen Anker“ zu bieten. Das gilt sogar noch mehr, seitdem wir in einem Rudel leben. Hier ist das Ausgleichen sogar noch wichtiger und gleicht manchmal dem Jonglieren mit brennenden Fackeln. Schließlich sind sie alle individuell, haben ihren eigenen Charakter und unterschiedliche ­Eigenarten.

Augen sind ja die Spiegel der Seele - auch bei Hunden...

Aber wie kriegt man das hin? – werde ich oft gefragt. Ehrlich gesagt, war ich bei den ersten Fragen dieser Art zu den Anfängen unseres Blogs schon ein wenig irritiert: Schließlich erwarten Halter von ihren Hunden auch Impulskontrolle. Ist es da echt zu viel verlangt von Menschen – die immerhin ja auch sowas wie Zivilisation haben – wenn sie auch ein wenig Selbstbeherrschung aufbringen? Und es gibt ja viele Hilfsmittel: Die bekanntesten sind Autogenes Training, Autosuggestion, Yoga, Imaginations- und/oder Atemtechniken etc.

So atme ich beispielsweise bewusst langsam und entspannt, stelle mir dazu beruhigende Bilder im Kopf vor, wenn mein Döggelchen sich aufregt. Ich selber komme also gut mit Imaginations- und Atemtechniken klar, da ich damit schon seit meiner Kindheit Erfahrungen auch aus dem Kampfsport gemacht habe. Aber jeder sollte selber herausfinden, was ihm am besten liegt. Eines ist jedoch wichtig – wie so oft im Umgang mit unseren Hunden: das Timing. Ihr müsst quasi sofort das abrufen können – quasi den Schalter auf Instant-Chill-Modus stellen. So sehr ich auch Tai-Chi mag, aber in so einer Situation hilft es nicht viel, erst ein paar langsame Formen auszuführen – außer natürlich, dass Ihr sie dadurch humorvoll entkrampft. Wobei Lachen natürlich der beste Instant-Entkrampfer ist, aber das könnte wiederum zu kommunikationstechnischen Missverständnissen mit dem anderen Halter führen...

Denkt immer daran: Dank der Spiegelnueronen süren Hunde die Stimmung ihrer Halter!


Ein schöner Nebeneffekt dabei ist, dass solche Techniken der Stimmungskontrolle einem auch bei der ein oder anderen verbalen Auseinandersetzung mit Haltern helfen, die eventuell ein gewisses Logik- oder Wissensdefizit haben. Zumal die eh meist ein eher hysterisches Gebaren an den Tag legen, wie anfangs geschildert. Sind halt eher Opfer der Stimmung, als dass sie sie selber beeinflussen.

Übrigens: So kann man auch mit seinem Hund Weihnachten feiern, ihm die Festtagsstimmung „rüberbringen“, auch ohne dass unsere Hunde was mit Religion und somit der Geburt des Christkindes am Ohr haben. Es ist ja bekanntlich das Fest des Friedens und der Liebe. Lasst genau das Eure Hunde spüren und so teilhaben an diesem Fest. Und natürlich auch an all den schönen, leckeren Überresten des Festtagsessens. In diesem Sinne: Peace and Love with and without Paws!


Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 12/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Hunde sorgen für Stimmung!


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Dienstag, 30. November 2021

Auch Hunde brauchen Vertrauen!

Gehorsam, Bindung, Sozialisation mit dem Menschen, der Umwelt, anderen Artgenossen – all das und noch viel mehr ist immer wieder Inhalt von Kursen im Hundetraining und Diskussionsthema in den Sozialen Medien. Doch – für mich erstaunlich – kommt ein Wort dabei selten vor: Vertrauen. Dabei ist es doch eine der Grundlagen einer jeden guten Beziehung.

Vertrauen ist die Basis einer jeden guten Beziehung!
Foto: Lutz Borger

Von Weitem beobachte ich die Szenerie: Auf der ausgewiesenen Freilauffläche läuft eine Dame mit ihrem Hund, offensichtlich ein Labrador. Der Hund nimmt Anlauf, wahrscheinlich will er über den Baum springen, doch Frauchen ruft ihn zurück. Dann möchte er ins Wasser, was ja gerade bei Labradoren nicht wirklich verwundert, aber Frauchen ruft ihn zurück. Er schnappt sich ein Stöckchen, doch Frauchen ruft ihn auch hier zurück.

Nun, die Liste ließe sich noch um drei bis vier Beispiele verlängern. Aber viel interessanter war ihre Reaktion, als sie uns erblickte. Mittlerweile hatte ich mit ihrer ersten Reaktion schon gerechnet: Sie rief ihren Hund, der schon auf uns zulief, wieder zurück. Auch dass sie ihn an die Leine nahm, wunderte mich nach den Beobachtungen nicht. Eventuell war der Hund ja krank oder hatte eine Vorgeschichte, weswegen sie den Kontakt auf der Freilauffläche meiden wollte. Aber dass sie ihn dann auch noch ganz kurz nahm, wo doch genügend Platz war, um uns im weiten Bogen auszuweichen, DAS machte mich dann doch etwas stutzig. Daher fragte ich nach: „Verzeihen Sie meine Neugierde, aber warum nehmen Sie ihren Hund so an die kurze Leine? Immerhin ist doch genügend Platz auf dieser großen Freilauffläche, wo wir uns beide im großen Bogen aus dem Weg gehen könnten.“

Ihre Antwort ließ mich noch lange Zeit darüber grübeln: „Ich vertraue nicht darauf, dass die Situation so entspannt bleibt, wie es jetzt wirkt.“ Okay, das hat man zu akzeptieren, und schließlich gab es ja noch genug andere frei laufende Hunde, mit denen mein Döggelchen ausgelastet spielen konnte. Dennoch ging mir ihr Satz nicht mehr aus dem Kopf. Hatte sie kein Vertrauen zu ihrem Hund? Alle Indizien sprachen dafür. Aber wenn sie ihrem Hund nicht vertraut, wie stand es dann um das Vertrauen ihres Hundes in sie?

Ich erinnerte mich an eine lustige Begebenheit, in der ich das Wort Vertrauen zu meinem Döggelchen sagte, ohne dass es mir so bewusst war, wie in der jetzigen Situation: Es ging um ein Kindergitter, welches nur angelehnt war. Doch mein Doggen-Wookie traute sich nicht, es von sich aus zu öffnen. Hilfe suchend schaute er mich an, mit einer kleinen Spur der Verzweiflung, da er ja zu mir wollte. Doch das nur angelehnte Gitter trennte uns. Also sprach ich Rico an: „Na los, mein Kleiner, das schaffst du schon. Ich hab‘ da vollstes Vertrauen zu dir!“ Erst jetzt wurde mir die Bedeutungstragweite meiner Worte voll bewusst.

Im Wort Vertrauen schwingt ja auch die Bedeutung Zutrauen mit. Ganz besonders bemerke ich es bei unserem Mantrail-Training. Denn dabei muss ich die Führung abgeben an mein Döggelchen Rico. Ich vertraue ihm da (was ja eigentlich auch logisch ist, angesichts meiner Riecher-Inkompetenz im Vergleich zum Nasentalent unserer Hunde). Er läuft vorne weg, erkennt die Spur und weiß so den Weg – weit besser als ich es jemals könnte. Und auch wenn er in dem Augenblick die Führung hat, so hat er bisher nie Anstalten gemacht, die Weltherrschaft anzustreben.

Ähnlich sagte mir auch die Mantrail-Ausbilderin Kerstin Hennings vom SHZ Suchhundezentrum, die Rettungsstaffeln aus- und weiterbildet: „Wenn Hund und Halter eine gute Verbindung haben, sich beide sehr gut kennen, dann kann man sich aufeinander einlassen. Nur so kann auch gegenseitiges Vertrauen entstehen.“

Beim Mantrailing braucht es gegenseitiges Vertrauen...

Sicher sollte man immer auf seinen Hund achten. Wir werden ja auch nicht müde, das immer wieder in unseren Artikeln oder in unserem Blog zu erwähnen. Aber damit man sich keinen unsicheren Hund heranzieht, er auch hündisches Selbstvertrauen entwickelt, muss man ihm Vertrauen als Halter schenken.
Aber wie bekommt man Vertrauen?
Wie entsteht es? Werden jetzt sicher ­einige fragen. Nun, das kann man nicht „trainieren“ – wahrscheinlich ist das einer der Hauptgründe, warum es in zahlreichen Hundeschulen auch kein Thema ist: es lässt sich damit kaum Geld verdienen. Denn Vertrauen muss man sich verdienen – und das ist oft schwieriger als eben Geld zu verdienen. Am ehesten klappt das mit vielen ­gemeinsamen Erlebnissen. Dabei lernen beide – Hund und Halter – sich gegenseitig besser kennen und sich so auch einzuschätzen. Das gemeinsame ­Meistern der unterschiedlichsten Situationen lässt dann auch das Vertrauen wachsen. Denn Hund merkt dabei schnell: Egal was passiert, wenn ­Frauchen oder Herrchen dabei sind, dann kann mir nichts passieren – denn er passt auf mich auf.

Und so betrachte ich mein Döggelchen, zugegeben mit einer gewissen stolzen Zufriedenheit, wie er sich mittlerweile im Freilauf um mehr als 30 Meter von mir entfernt (anfangs traute er sich nicht mal mehr als fünf Meter zu), völlig selbstsicher auch das Unterholz im Wald durchschnüffelt, völlig gechillt auch die Straßenbahn besteigt und durchs Kaufhaus dackelt (die Gerüche dort interessieren ihn eh meist mehr als die vielen Menschen). Das lasse ich zu, weil das „Zusammenspiel“ klappt, die Regeln und Grenzen bekannt sind, ich ihn kenne und er mich, wir uns eben vertrauen.

Mein kleiner Doggen-Wookiee Rico machte ja die vielen Erfahrungen ­gemeinsam mit mir und vertraut mir daher. Denn zu jeder guten Beziehung gehört auch Vertrauen – und zwar ­gegenseitiges!

Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 11/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Vertrauen ist die Basis einer jeden guten Beziehung!


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Donnerstag, 21. Oktober 2021

Gegen Wissensdiskriminierung in der Hundeszene

Über die Jahre erlebte ich immer häufiger, wie Wissen und Informationen in der Hundeszene verstärkt diskriminiert wurden. Dadurch besteht nicht nur die Gefahr, dass Uninformiertheit immer mehr um sich greift und dies das Geschäft der Scharlatane erleichtert. Nein, es beeinflusst auch unsere Persönlichkeit und hat somit unmittelbare Auswirkungen auf unsere Hunde. Dabei können wir von ihnen auch in solchen Situationen wieder mal so viel lernen.

Da draußen gibt es so viel zu entdecken...

„Ach, das ist doch nur Theorie!“, sagt der Hundetrainer in einem Tonfall, der ganz offensichtlich seine ganze Verachtung zum Ausdruck bringen sollte. Schon alleine der Ausspruch verwunderte mich – vom Tonfall ganz zu schweigen. Glaubte er denn ernstlich, dass Theorie und Praxis unabhängig voneinander existieren könnten? Oder dass Eines der Beiden – in seinem Fall klar die Theorie – verzichtbar wäre? Schon seltsam, nach meinem Verständnis sind es zwei Seiten einer Medaille, die sich gegenseitig bedingen und befruchten. Aber okay, offensichtlich haben da einige Menschen ein einfacher strukturiertes Weltbild – so dachte ich anfangs. Aber über die Jahre bemerkte ich, dass diese Diskriminierung von Wissen in der Hundeszene immer mehr zunimmt.

So wollte uns doch eine Hundetrainerin, mit der wir intensiv über den § 11 des Tierschutzgesetzes und der Erlaubnispflicht zum Betreiben von Hundeschulen sprachen, tatsächlich weismachen, dass Hundetrainer ja „viel besser Bescheid wüssten über Hunde, ihre Körpersprache und ihr Verhalten“ als Tierärzte. Ihr Argument dabei: „Die machen zum Hundeverhalten ja nur einen Kurs und das war‘s.“ Ganz davon abgesehen, dass so ein Pauschalurteil, das sowohl ALLE Hundetrainer als auch ALLE Tierärzte betrifft, mit Vorsicht zu genießen ist, aber vielleicht meinte sie es ja als „Mehrheitsaussage“, die auch auf Erfahrung und Wissen basiert. Also fühlte ich ihr auf den Zahn und fragte nach…

Ich will es nicht zu spannend machen und mit Details nerven, daher: Recht schnell war klar, dass sie über den Studieninhalt von Tiermedizinern keine Ahnung hatte (z.B. hatte sie noch nie in ein Studienverzeichnis geschaut, von der Studienordnung für Veterinärmedizin ganz zu schweigen); unnötig zu sagen, dass sie den Inhalt des Kurses auch nicht kannte. Dieses Unwissen schien sie aber nicht zu stören bei ihrer Meinungsbildung darüber: „Das ist doch eh alles nur Theorie!“ Da war er wieder, der Satz mit so viel Abfälligkeit in der Stimme, dass man sie hätte in Scheiben schneiden können. Auf zwei Fragen von mir wusste sie aber keine Antwort: 1) Woher kommt denn dein heutiges Praxiswissen, wenn nicht von einer vorausgegangenen Theorie? 2) Wenn das alles so ist, wie du sagst, warum sind die Notaufnahmen der Krankenhäuser in den verschiedensten Städten nicht voll von Tierärzten, die wegen ihres fehlenden Wissens ständig ja von Hunden gebissen werden müssten? Schließlich tun sie ihnen ja auch mal unangenehme Sachen an, wie Spritzen etc. Ihr darauf folgendes Schweigen war für mich schon fast ein Turbinen-lautes Eingeständnis ihrer Unlogik.

So viel Wissen auf der Welt, was erschnüffelt werden will...

Versteht mich nicht falsch, Tierärzte haben die Hunde-Weisheit auch nicht mit Löffeln gegessen, ebenso wenig wie Hundetrainer; und klar, ich kenne keinen Tierarzt, der nicht mal gebissen oder gekratzt wurde, ebenso wenig aber auch Hundetrainer. Das gehört halt zum Berufsrisiko. Aber woher kommt dieses Relativieren oder sogar Diskriminieren von Wissen? Übrigens, nicht nur von Hundetrainern, sondern nach meiner Beobachtung auch immer mehr von Haltern. Psychologisch die einfachste, und daher auch die wahrscheinlichste, Erklärung ist, dass diese Leute, die selber in den meisten Fällen keine höhere Bildung genossen haben, ihre eigenen Unterlegenheitsgefühle damit kompensieren wollen, indem sie Wissen bzw. Bildung schlecht machen. Selbstsicherheit sieht irgendwie anders aus…

Und dabei ist ein selbstsicherer und souveräner Halter extrem wichtig für seinen Hundepartner! (Viel wichtiger im Übrigen als ein gebildeter.) In dem ein oder anderen Fall mag es auch andere Motive dafür geben. In der Konsequenz aber nicht: Denn so ein nicht-offener Blickwinkel ist sehr verengt, er verhindert quasi die Aufnahme von Wissen und blockiert damit eine wichtige Inspirationsquelle. Außerdem: eine offene Persönlichkeit ist sowohl nach Erfahrung, als auch nach Studien besonders förderlich für eine gesunde Hund-Mensch-Beziehung.

Ein Vorbild ist da für mich – mal wieder – mein Hund Rico und mittlerweile auch die beiden Damen des Rudels, Djury und Smilla. Sie nehmen ja auch Informationen erst mal ganz unvoreingenommen auf (also die für Hunde relevanten, wie z.B. Gerüche etc.) und urteilen erst danach.

Ihr 2-Beiner sucht euch die Infos viel zu oft nach eurem Gefühl aus, anstatt euren Verstand zu nutzen...

Besonders ausgeprägt ist diese Diskriminierung von Wissen in den sozialen Netzwerken – wobei manchmal asozial besser passen würde. Schnell eskaliert das in Facebook & Co. zu unfruchtbaren – und in den meisten Fällen auch unnötigen – virtuellen Verbalprügeleien. Statt sich auf der Sachebene damit auseinander zu setzen, wird es schnell auf der zwar emotionalen, aber dafür meist auch unsachlichen Beziehungsebene ausgefochten. Statt sich gegenseitig mit Argumenten zu bereichern und zu inspirieren, wird lieber sozial geächtet und sogar ausgegrenzt. Ja manchmal werden ganze Armeen von Freunden und auch Fake-­Profilen zum Shitstorm aktiviert. Wir haben das nicht nur beobachtet, sondern sowas auch mit unserem Blog (GASSIREPORT http://gassireport.blogspot.com) am eigenen virtuellen Leib miterlebt …

Wobei Shitstorms noch eine vergleichsweise relativ harmlose Art ist, jemanden mundtot zu kriegen. Schließlich gehen die, wie jeder Sturm, auch mal vorbei – selbst die im (virtuellen) Wasserglas. Doch nicht selten artet es aus in Stalking, Diskreditierung und Verleumdungen etc. Jedes Mittel scheint diesen Leuten recht und billig zu sein, um jemand anderen, wenn nicht zum Schweigen so doch zumindest in Misskredit zu bringen. Nicht immer aus einem Unterlegenheitsgefühl heraus, manchmal auch einfach aus Geltungs- und Machtgelüsten. Oder einfach um einen unliebsamen Konkurrenten oder Kritiker nieder zu machen.

Wie würde wohl mein Döggelchen Rico mit solchen Charakteren verfahren? Ich kann es nur vermuten, aber so wie ich ihn kenne (er hat bisher ein sehr gutes Näschen für Scharlatane und Blender bewiesen), würde er sie ziemlich schnell schon auf die Entfernung verbellen, damit er möglichst rasch seine Ruhe hat um sich auf Wesentlicheres zu konzentrieren. Sind schon tolle Lehrmeister ­unsere Hunde, denn so ähnlich handhabe ich das auch.

Also mal einfach ein Buch nehmen oder eine Zeitschrift lesen und das Web durchsuchen, sich eben aus möglichst vielen unterschiedlichen Quellen informieren (wobei Facebook jetzt keine wirklich verlässliche Quelle darstellt). Ihr werdet sehen, so Wissen anzusammeln kann sehr befriedigend sein und Freude machen, wenn es um so ein Herzensthema wie Hunde geht und ihr eure Fellfreunde dann besser versteht (ist also nicht so schlimm wie das „Lernen“ in der Schule damals). Zumal Unwissenheit es jedem Scharlatan und Blender einfach macht. Denn wie heißt es so schön: Bildung hat noch niemandem geschadet. Der Mangel daran hat aber schon so manchen Schaden angerichtet …


Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 10/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Mit Hunden hört das Lernen nie auf


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Sonntag, 12. September 2021

„Helikopter-Halter“ … verhindern eine gesunde und soziale Entwicklung ihrer Hunde

Ähnlich wie die schon länger bekannten Helikopter-Mütter, so verwehren die Heli-Halter ihren Hunden, eigene Erfahrungen zu machen. Auch wenn es gut gemeint ist, die logische Konsequenz dieser geistigen Kasteiung: Unerfahrene und daher auch unsichere Hunde, für die jede Hundebegegnung zum Stressfall wird und das Gassigehen schon Angst einflößt.

Entspannt laufen wir auf den Düsseldorfer Rheinwiesen. Da kommt uns eine Dame mit Hund entgegen. Nichts Ungewöhnliches hier, denn es herrscht unterhalb des Deiches kein Leinenzwang, daher ist es auch weit über die Grenzen der Stadt als Gassigebiet beliebt. Daher wunderte ich mich auch nicht, dass ihr Hund nicht angeleint war. Mein Döggelchen Rico war es ja auch nicht. Doch dann schrie sie plötzlich wild auf. Wegen der Entfernung verstand ich ihr hysterisches Gekreische zunächst nicht. Als ich näher kam, lief Rico bereits auf ihren Hund zu, der sich sichtlich freute, einen Spielgefährten zu treffen. Jetzt verstand ich auch endlich ihre Worte, die sie in einer Tonlage schrie, die in etwa so angenehm war wie das Kratzen einer Gabel auf dem Teller: „Rufen Sie gefälligst Ihren Hund zurück!“ Etwas verwundert, befanden wir uns doch in einer ausgewiesenen Freilauffläche, fragte ich nach dem Warum. Ihre Antwort: „Ich möchte nicht, dass mein Hund mit anderen Hunden Kontakt hat. Das ist mir zu gefährlich.“

Hunde wollen und brauchen den Kontakt zu Artgenossen
Foto: Lutz Borger

War das wieder einer dieser „Helikopter-Halter“, die ihrem Hund jeglichen Kontakt mit Artgenossen verwehren und ihm nicht erlauben eigene Erfahrungen zu machen? Aber vielleicht war der Hund ja auch alt oder krank … Daher sagte ich ihr, dass sie sich hier auf einer Freilauffläche befände, es daher nur logisch und somit vorhersehbar wäre, dass sie hier anderen frei laufenden Hunden begegnen würde. Aber Logik schien nicht so ihr Hobby zu sein. „Ja, ich weiß und das nervt mich auch. Also nehmen Sie Ihren Hund gefälligst jetzt an die Leine!“ Der Befehlston weckte jetzt nicht gerade meine „freundlich-kooperative“ Ader, zumal die Dame wohl zu der Sorte ­gehörte, die dachte, dass die Welt sich um sie dreht. Daher antwortete ich: „Gute Frau, auch wenn Logik nicht so Ihr Hobby ist, wenn Sie keine Hundebegegnungen wollen, sollten Sie gefälligst nicht auf eine Freilauffläche kommen und anderen mit Ihrem Ultraschall-Gekreische das Trommelfell perforieren.“

Während die Dame noch um Luft und Worte rang, schlenderten das Döggelchen Rico und ich weiter (den ich nun zu mir gerufen hatte, auch wenn mir der in freudiger Erwartung hüpfende und jaulende Hund der Frau leid tat). Solche und ähnliche Begegnungen häufen sich in letzter Zeit. Offenbar werden es immer mehr dieser Helikopter-Halter. Okay, ihre Motivation ist häufig gut gemeint: Sie wollen möglichen Schaden von ihren Hunden abwenden. Kann ich sogar ­nachvollziehen, schließlich mache ich mir um meinen kleinen Doggen-Wookiee ja auch schon Sorgen, wenn er nur einmal zu viel hustet. Aber nur weil etwas gut gemeint ist, muss es nicht auch gut und richtig sein – das ist zwar eine Binsenweisheit, aber offenbar eine, die viele Hundehalter dieser Sorte nicht kennen. Schließlich nimmt man dem Hund damit die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu sammeln und daran auch zu wachsen. Ja, mehr noch, im Extremfall verhindert es die Sozialisation mit seinen ­Artgenossen.

Spielen mit einem Hundekumpel macht ja so viel Spaß
Foto: Brigitte Klemke


Offenbar haben die nie was von den so genannten Kaspar-Hauser-Versuchen gehört – dabei kann man es einfach in Wikipedia nachlesen. Die gab es nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen. Ziel war es, angeborene Verhaltensweisen zu erkennen – also diejenigen, die genetisch verankert waren. Bei Tieren besonders umstritten waren dabei die Versuche an Rhesusäffchen. Die Konsequenzen dieser Deprivation (vom lateinischen deprivare=berauben – auch diesen Begriff kann man in Wikipedia nachlesen) kann man sich lebhaft vorstellen. Bei Menschenkindern führte das – gelinde gesagt – zu Verhaltensauffälligkeiten – oder auf den Punkt gebracht: zu geistigen Störungen.


Bereits im Altertum berichtete Herodot von Experimenten an Kindern. Es war der Pharao Psammettich I., der die Ursprache der Menschen erfahren wollte. Er gab einem Hirten zwei neugeborene Kinder und befahl, diese so aufzuziehen, dass sie niemals ein gesprochenes Wort vernehmen sollten. Er wollte auf diese Weise herausfinden, in welcher Sprache die Kinder zuerst ein Wort sagen würden. Die Geschichtswissenschaft verortet diese Geschichte ins Reich der Mythen, aber sie zeigt auch, dass es solche Experimente gegeben haben muss (wenn auch wahrscheinlich nicht vom besagten Pharao). Im 13. Jahrhundert war es dann Kaiser Friedrich II., der die Ursprache mit ähnlichen Versuchen finden wollte. Deshalb ließ er einige neugeborene Kinder ihren Müttern wegnehmen und an Pflegerinnen und Ammen übergeben. Sie sollten den Kindern Milch geben, dass sie an den Brüsten saugen könnten, sie baden und waschen, aber keinesfalls mit ihnen kosen und zu ihnen sprechen. Das Ergebnis: Die Kinder starben.

So mancher gluckenhafte Helikopter-Halter gehört auf die psychologische Couch... 😉😂


Okay, sicher, jeder Vergleich mit Menschen hinkt natürlich. Aber beide, Mensch und Hund, sind soziale Wesen. Nimmt man ihnen das, so läuft einiges in deren Entwicklung falsch. Nicht zuletzt deswegen waren die Experimente von Harry Harlow an jungen Rhesusaffen stark umstritten. Denn soziale Wesen brauchen sozialen Kontakt und Zuwendung. Ohne das verkümmern sie. Also liebe Heli-Halter, denkt mal darüber nach, bevor ihr euren Hund quasi geistig kastriert. Auf jeden Fall beschneidet ihr seine Lebenstauglichkeit!


Und es heißt ja nicht umsonst, dass Hunde, die viele unterschiedliche Erfahrungen gemacht und viele unterschiedliche Artgenossen kennen gelernt haben, die entspannteren Fellfreunde sind. Ist ja auch irgendwie logisch: Denn je mehr wir erfahren und lernen, umso weniger können neue Situationen Angst machen und umso selbstsicherer reagieren soziale Wesen wie unsere Hunde darauf.


Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 09/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Aus Angst verbieten Helikopter-Halter ihren Hunden den Kontakt zu anderen, doch Angst ist ein schlechter Ratgeber


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