Sonntag, 10. Januar 2016

[Gastbeitrag] Lisette stellt Leben um und verlängert es wahrscheinlich auch ;-)

Bei diesem Gastbeitrag, den ich ja schon im vergangenen Blogartikel ankekündigt habe, fühl ich mich schon etwas komisch. Bin ein wenig...nunja unsicher *ohrenseitlichanleg* Wollte ja eigentlich, dass mein 2-Beiner das diesmal übernimmt. Also die Einleitung mein ich...denn schließlich kennt er Volker Bormann ja, ich so gar nicht. Und das ganze auch noch aus früheren Zeiten, damals, bevor ich das Leben meines 2-Beiners veränderte, als er noch Redakteur war, genauso wie Volker. Beide waren damals bei der Zentralredaktion aller Wirtschaftspublikationen aus dem Hause Gruner+Jahr (Financial Times Deutschland, Capital, Börse Online, Impulse). Bin daher schon etwas verunsichert...ein Redakteurskollege von früher und jetziger Kommunikationscoach (er ist jetzt Chef des Kommunikationskontors Hamburg)...uiuiui...aber Maximilian meinte: "Du machst das schon, Kleiner."

Okayyyy, dann will ich es mal versuchen *schwanzwedel* und euch berichten, was ich so durch meinen 2-Beiner erfahren habe. Jedenfalls kannten er und Volker sich damals nicht so gut. Naja, bei fast 300 Redakteuren kein Wunder, zumal sie unterschiedlichen Ressorts angehörten und mein 2-Beiner in Frankfurt stationiert war und Volker in Hamburg saß. Sie haben sich wohl mal oberflächlich auf irgendwelchen Weihnachtsfeiern oder Sommerfesten unterhalten. Seltsamerweise lernten sie sich aber später dann, nach der Zeit bei den Gruner+Jahr Wirtschaftsmedien ein wenig privater kennen...irgendwie durch uns Hunde (und das obwohl Lisette und ich uns niemals beschnuppert haben). Denn Lisette kam ins Leben von Volker und änderte alles. Ähnlich wie ich bei meinem 2-Beiner. Ich bin zwar nicht sein Ersthund, so wie Lisette bei Volker. Dennoch erkenne ich da einige Parallelen zwischen den beiden ;-) Freut euch daher auf einen ganz besonderen Gastbeitrag eines Hundemenschen!


Lisette und Volker
Foto: Volker Bormann


Lisette – wie ein Riesenschnauzer-Mädchen mein Leben verändert hat


Unbedingt sollte ein Hund her, und zwar ein möglichst großer. Nicht, dass ich diesen Wunsch meiner damaligen Freundin rundheraus abgelehnt hätte. Auch in meiner Welt war immer schon Platz für einen Hund gewesen, allerdings eher als Manmüsstemal oder Spätermal. Aber auch für mich war ein richtiger Hund einer, der mir ordentlich übers Knie reichte. Nicht unbedingt hüfthoch wie eine Dogge, aber Mitte Oberschenkel – damit hätte ich kein Problem.

Jetzt also sollte die Sache Kontur bekommen: ein Hund zum Schutz, zur Freude und gegen das Alleinsein. Etwa, wenn der Sohn meiner Partnerin mal wieder das Haus hütete.

Zweierlei lag mir damals quer beim Gedanken daran. Erstens, unsere Beziehung war angespannt, eigentlich stand sie sogar auf der Kippe. Da war es nicht wirklich schlau, auch noch einen Hund anzuschaffen. Zweitens, die Hauptarbeit damit durfte, nach Lage der Dinge, wohl an mir hängen bleiben.

Ich hatte beide Male Recht. Die Beziehung zerbrach schon bald, wir hatten aber ein jeder zur Hälfte einen Hund gekauft, mit dem ich die wesentliche Arbeit hatte. Zum Glück, wie ich heute finde.

Immerhin hatte der Trotzkopf in mir noch rasch und äußerst undemokratisch den Hund meiner Wahl durchgesetzt. Wenn ich schon derjenige war, der am Ende im Regen mit dem Hund Gassi geht, dann sollte es wenigsten ein Riesenschnauzer sein. Irgendwie hatte ich mich in die Silhouette dieser selten gewordenen Rasse verguckt, die Familie über Wochen mindestens einmal täglich mit Welpenbildern, Schnauzergeschichten oder grundlos mit Riesenschnauzern berieselt. Ich hatte eine Züchterin gefunden, Besuche arrangiert, mich in einen Riesenrausch gesteigert, die Familie genervt und – am Ende bekommen, was ich wollte.

Die (damals noch kleine) Lisette zieht ein
Foto: Volker Bormann

Wir tauften sie Lisette. Sie kam zu uns als acht Wochen altes, quirliges, pissfreudiges und freches schwarzes Zausel. Sie stürmte in unsere Herzen, zerkaute Unmengen Kaminholz, brachte mich nächtelang um den Schlaf, trieb mich bei jedem Wetter raus und auf den Hundeplatz. Lisette war mein erster Hund und mich ängstigte die Vorstellung, dass sie später einmal als ausgewachsener Riesenschnauzer mir und dem Rest der Welt auf der Nase rumtanzen könnte. Also ging ich eifrig mit ihr üben. So kam es, dass ich derjenige wurde, der mit Lisette am besten klarkam.

Nach der Trennung versuchten meine Ex und ich eine Zeit lang noch, Lisette wie ein Trennungskind hin und her zu reichen. Als das sich nicht mehr wohlwollend verabreden ließ, habe ich Lisette quasi entführt. Im Hause der Mutter und ihres Sohnes gab es vier Wochen später eine blaugraue deutsche Dogge.

Jetzt liegt Lisette groß und schwarz und wunderschön neben mir auf dem Bett. Morgen, gegen sechs, wird sie sich zu mir umdrehen, mir Hände und Arme lecken, anschließend ihre Schnauzerschnauze unter meine Hand schieben und mich auffordernd anstupsen: Kraul mich! Außerdem muss ich mal, und dann kriege ich doch sicher Frühstück.

Irgendwann war Lisette ausgewachsen...und ziemlich viel Hund :-)
Foto: Volker Bormann


So weit, so Hund.

Als ob es nur das wäre! Sicherheit, ein Zuhause, Futter, Gassigehen, bisschen kraulen. Okay, ich hatte gehört, dass man sich in seinen Hund verlieben kann. Dass er wichtig wird, mehr bedeutet als einfach nur Haustier. Schon gut, hatte ich innerlich geantwortet. Ich weiß zwar, dass ich mich ungemein begeistern kann, aber macht mal halblang, es ist immerhin bloß ein Hund.

Lektion eins: Bloß-ein-Hund gibt es nicht, jedenfalls für niemanden, der ein Herz hat. Zum ersten Mal gemerkt habe ich es daran, dass dieses Schnauzer-Mädchen mich rührt. Weichei? Nix zu machen, es rührt mich, wie bedingungslos Lisette meine Nähe schätzt. Ich wechsle vom Sofa an den Schreibtisch, mein Hund kommt mit. Unaufdringlich, aber unübersehbar. Bei anderen macht sie das nicht. Sie meint mich.

Es rührt mich, wie sie mir selbst eine schmerzende Pfote mit klaffender Wunde am Zeh überlässt. Sie versteht vermutlich nicht, warum ich sie nicht einfach lecken lasse, sondern was draufschmiere und so ein weißes Stoffzeug drumbinde. Vor einiger Zeit musste ich mir ihr zur Tierärztin, aus einem unscheinbaren Cut in einer Zehe war ein tiefer Abszess geworden. Die Versorgung hat wohl richtig wehgetan. In meinem entschlossenen Griff erträgt sie es tapfer.

Rührselig? Bisschen viel Gedöns, obwohl ich einfach nur einen Hund dank meiner körperlichen Überlegenheit zum Stillhalten gezwungen habe? Wohlgemerkt, Lisette ist ein Riesenschnauzer. Ich will lieber gar nicht wissen, wie es um meine körperliche Überlegenheit stünde, wenn Lisette es wirklich mal wissen wollte. Beim Toben jedenfalls, wenn sie mich ebenso spielerisch wie stürmisch angeht, wenn sie versucht, mich an der Hand oder am Arm zu packen, wenn sie sich federleicht mal eben auf Augenhöhe katapultiert, da kriege ich mitunter Zweifel. Sicher, wenn es um die reine Kraft geht, bin ich ihr über, ich wiege auch mehr als doppelt so viel wie sie. Wenn ich mir nicht den Schneid abkaufen lasse, hat sie kein leichtes Spiel mit mir. Aber ich käme sicher nicht ungeschoren davon: Ihre Sprints sind eine Unverschämtheit, sie ist hartnäckig, hat Kraft, ein ungeheures Gebiss, sie dreht und wendet sich virtuos, entwindet sich meinem Griff atemberaubend souverän, aber – ganz, wie es sein soll im Spiel – sie spielt ihre Stärke nicht wirklich aus. Mag sein, dass sie aufgibt, wenn ich sie entschlossen packe. Aber das allein trifft es nicht, da ist mehr: Sie vertraut sich mir an. Im Spiel wie im Ernst. „Wenn Du so sicher bist, dass das gut ist, dann mach“, das ist ihre Botschaft! Was für eine Verantwortung.

Lektion zwei: Der Ton macht die Musik. Sitz, Platz, nein, hier – toll, wenn das beim Hund anständig klappt. Damit können wir angeben, was für ein gut erzogener Hund! Damit können wir ihn ordentlich rumschubsen, das Sagen haben schließlich wir, und ein Hund hat zu spuren. – Man kann das so sehen als Hundehalter. Ich selbst habe entsprechend barsche Kommandos in der Hundeschule gelernt und Lisette ist ihnen ganz leidlich gefolgt. Und wenn sie mal nicht so wollte, habe ich noch strenger und lauter kommandiert. Bis ich in einem Buch über Beschwichtigungsgesten beim Hund auf eine recht skeptische Bemerkung gestoßen bin über eben diesen barschen Ton. Ich hatte ihn für beinah normal gehalten, jetzt plötzlich ging mir auf, dass er, naja, eben barsch war; dass jeder Hund bei so einer Ansprache schlechte Laune bei Herrchen oder Frauchen fürchten musste – und wer lässt sich schon gern zu jemandem rufen, der sauer wirkt. Bisschen geschämt habe ich mich darüber, weil ich als Kommunikationstrainer und Business-Coach meinen Klienten einen wertschätzenden Umgang nahelege und bei Menschen dafür auch ein ganz gutes Gefühl habe.

Also habe ich mich sofort um mehr Freundlichkeit in meinen Alltagskommandos bemüht. Und Lisette hat sowas von prompt darauf reagiert, dass es mir noch immer unter die Haut geht. Heute darf sie „bei Fuß“ als eine Länge vor mir und ein Schrittchen hinter mir auslegen. Wie es eben grad passt. Wenn sie den Befehl dann doch vergisst und ungeduldig vorprescht, blaffe ich sie nicht mehr an. Ich sage „bleib bei mir, wir machen das zusammen. Bei Fuß“. Und mein Hund stoppt, dreht sich nach mir um, wartet, bis ich wieder gleichauf bin und weiter geht’s. Früher hat sie gern mal versucht, sich davonzumachen. Jetzt kooperiert sie sichtlich gern. Vermutlich könnte ich auch sagen „gleich gibt’s Erdbeereis, willste auch was?“ Es ist der Ton, der die Musik macht. Und wie alle Hunde hat Lisette dafür ein feines Gespür. Hundesoftie? Absolut nicht, barsch kann ich noch immer, etwa wenn es um die Sicherheit von Mensch und Hund geht. Aber ich dosiere es, und wir kommen besser klar denn je.

Lektion drei: Hör genau zu, was Dein Hund sagt! Es hat länger gedauert, bis Lisette stubenrein war, fast ein halbes Jahr. Was haben andere Hundehalter nicht alles für Geschichten erzählt: stubenrein nach drei Wochen? Kein Problem. Nase in die Lache, Nase keinesfalls in die Lache, nicht schimpfen, unbedingt unmittelbar schimpfen, und, und, und. Tatsache war: Meine damalige Familie hat beim konsequenten Im-Auge-behalten und Auch-Nachts-immer-rausbringen des Welpen nicht mitgemacht. Allein war ich damit überfordert. So fanden sich für Lisette immer Winkel im großen Haus, in denen sie ungestört ihr Geschäftchen erledigen konnte. Was muss in ihr vorgegangen sein? Okay, die Zweibeiner hatten offenbar eine Vorstellung davon, wo sie das in Ordnung fanden und wo nicht, aber sie haben oft nicht reagiert, wenn ich gesagt habe, dass ich mal raus muss. Was in denen wohl vorgeht?

Mir als Zweibeiner ist irgendwann aufgefallen, dass die Lache oft vor der Terrassentür zu finden war. Und während ich noch murrend Lisettes Pisse wegwischte, fiel mir wiederholt ein, dass sie kurz zuvor bei mir gewesen war, ich aber ihr Anspringen und Fingerkauen als Spielaufforderung missverstanden hatte. In Wahrheit hatte sie Aufmerksamkeit für ihr Problem haben wollen. Sie hat sich dann noch eine Weile an der Tür um Zurückhaltung bemüht, bis es eben nicht mehr ging. Sicher, Spielenwollen oder Pissenmüssen sind nicht immer leicht zu unterscheidende Signale des Hundes. Aber es waren Signale, und ich habe lernen müssen, genauer hinzuschauen, mich einzufühlen. Überrascht ist mir, dem Kommunikationsfeinling und Biologen, bewusst gworden, dass ich nicht automatisch einen Kanal für meinen Hund hatte. Lisette ist dann doch plötzlich stubenrein geworden. Irgendwann hatten wir den Kanal nämlich richtig voll. Unsere Reaktionen auf Hundepisse waren nicht mehr innerlich von Verständnis und pädagogischen Debatten umwattet, wir waren schlicht jedesmal stinksauer. Das hat sie sofort kapiert. Klare Kante, klare Reaktion.

Das führt mich zu Lektion vier: Kläre, was du wirklich willst! Halbherzigkeit ist sehr menschlich, Tiere können damit nichts anfangen. Wann immer ich mich gewundert habe, dass Lisette ein Kommando ignoriert – es lag oft an meiner inneren Unentschlossenheit. Man könnte statt „nein!“ auch „Bein!“ sagen oder „fein!“. Der Sprachcode ist weitgehend wurscht, wenn der Ton klar ist. Nur wenn ich etwas wirklich will, ist es für den Hund eine verbindliche Größe. Bestimmen Zweifel oder Unentschlossenheit den Tonfall oder in der Körpersprache, dann bleibt ein Kommando oft wirkungslos. Seither trete ich auch Menschen gegenüber entschiedener auf. Es wirkt.

Bei so nem Gassigang saut sich Lisette auch schon mal ein :-)
Foto: Volker Bormann

Lektion fünf: Stell Dich nicht so an! Ich komme aus einem sehr hygienischen Tierarzt-Elternhaus. Und ich habe ein Diplom im Mikrobiologie, kenne mich also aus mit Keimen, Parasiten, gefährlichem Dreck aller Art. Es gibt ein Leben vor dem Hund und eines mit Hund. Und im Leben mit Hund schreibt Hygiene sich anders. Hoppla, mir wurde mit einem Male klar, wie etepetete ich war. Krümel im Bett? Uäahh! Hund streicheln und dann Fingerfood? Nie-hie-mals! Heute weiß ich: Es gibt Essentials, und es gibt Gedöns. Ich halte mich inzwischen an die Essentials. Übrigens, Lisette schläft bei mir auf dem Bett. Ich muss dann halt öfter mal die Decke wechseln.

Rausgehen bei Regen? Nasse Klamotten? Brrrr! So war es ohne Hund. Lisette aber ist ein Wildfang, sie braucht lange Spaziergänge, viel Toberei, Wasser und Action. Und es geht ihr links und rechts an ihrer hübschen Rute vorbei, was für Wetter dabei ist. Es gibt nur – geil! – draußen. Ich bin nie so viel an der frischen Luft gewesen wie jetzt mit Hund. Jawoll, ich fluche, wenn Hamburger Wetter ist, aber nach ein paar Minuten merke ich das gar nicht mehr. Ich stelle mich einfach nicht mehr so an.

Vermutlich verlängert Lisette mir gerade das Leben.

Viele Lektionen haben beide voneinader gelernt
Foto: Volker Bormann


Vielen Dank Volker für deine offenen Worte und diesen wuffigen Beitrag! Ja, auch ich hab viel durch meinen 2-Beiner gelernt, so wie er auch durch mich vieles. Kann euch beide daher sehr gut verstehen. Und ich hoffe, dass ihr 2-Beiner mal ein echtes Treffen mit uns Hunden hin bekommt. Schließlich will ich doch Lisette beschnüffeln *schwanzwedelfreu*

Auch von mir an dieser Stelle ein großes Danke, dass du in unserem Blog mitgemacht hast, Volker! Immer wieder schön, mit alten Kollegen zusammen zu arbeiten, noch dazu bei einem gemeinsamen Herzthema: Hunde.

Hey, was willst du denn hier, Maximilian? Ich denke, dass soll ich alleine machen!

Ja, und das hast du auch prima hinbekommen, mein Kleiner!

Yo, find ich auch *schwanzwedel* Und daher bekomm ich jetzt ein Leckerchen! *leftzenleck* Machts gut Lisette und Volker! Und nicht vergessen: Immer der Nase nach! :-)


4 Kommentare:

  1. wuff,
    ja, wir Hunde verändern die Menschen.... viele Zweibeiner geben es aber nicht zu. Egal, wir haarigen Lebensqualitätverbesserer wissen es ;-)

    schlabberGrüße von Shila

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    1. Stimmt, wir Hunde wissen es da wirklich besser ;-) Aber die Menschen geben sich auch große Mühe...und sie können ja nichts dafür, haben sie doch nicht so eine feine Nase wir wir ;-)

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  2. Wir machen sie zu besseren Menschen!
    *Findet Clara*

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    1. Wir bringen sie auf jeden Fall zum Lachen! Und zeigen ihnen ihre "Menschlichkeit" ;-)

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