Samstag, 30. Januar 2021

Einfache Kommunikationsmodelle taugen nichts …

Viele Hundehalter und Hundetrainer haben bei der Kommunikation mit ihrem Hund noch ein einfaches Sender-Empfänger-Modell im Kopf. Doch das ist veraltet und verdeutlicht viele Reaktionen der Hunde nicht. So erklärt sich auch so manches Kommunikationsproblem mit dem Hund. Da unsere Vierbeiner soziale Wesen sind, sollten wir daher komplexere Kommunikationsmodelle verwenden …

Ich wundere mich immer wieder bei unseren Gassi-Begegnungen und ­Recherchen, wie viele Halter, aber – und das ist noch seltsamer – auch Hundetrainer mit dem veralteten Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation hantieren. Dieses von den beiden Mathematikern Claude E. Shannon und Warren Weaver (daher auch Shannon-Weaver-Modell genannt) Ende der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelte Modell war in der Kommunikationswissenschaft bereits Mitte der 50er nicht mehr en vogue. Stellt es doch den Sender zu sehr in den Vordergrund und berücksichtigt weder die Botschaft, noch was der Empfänger damit anstellt. Dabei muss man gar nicht erst Kommunikationswissenschaftler sein; ein Blick in Wikipedia unter Kommunikationsmodelle genügt schon: „Das ­Shannon-Weaver-Modell orientiert sich an technischen Aspekten der Signalübertragung. […] Deshalb ist dieses Modell zur Beschreibung sozialer Kommunika­tionsprozesse nicht geeignet.“

Kommunikation zwischen Hund und Halter
Kommunikation zwischen Hund und Halter
Foto: Lutz Borger

Angesichts der sozialen Natur unserer Hunde ist es daher für mich nicht nachvollziehbar, warum so mancher damit noch arbeitet. Es degradiert diese wunderbar komplexen, sozialen Wesen quasi zu Radioempfängern. Und welcher Halter kennt das nicht: Trotz gleichem Befehl reagieren Hunde auch mal anders – sie sind also alles andere als bloße Signalempfänger. Die intendierte Wirkung ist eben nicht gleich der tatsächlichen. So müsste es aber nach dem Sender-Empfänger-Modell jedoch sein.

Klar, das Sender-Empfänger-Modell besticht durch seine Einfachheit. Wohl daher benutzen es auch heutzutage immer noch viele. Aber so bequem das auch sein mag, so fatal kann es beim Verständnis der Kommunikation mit unseren Hunden sein. Interaktionistische Kommunikationsmodelle sind da zur Analyse und Erklärung wesentlich geeigneter. Nehmen wir mal beispielsweise den Transaktionalen Ansatz nach Werner Früh und Klaus Schönbach (meiner persönlichen Meinung nach eignet er sich am besten für die Kommunikation zwischen Hund und Mensch und ist nicht ganz so kompliziert wie andere Modelle): Er integriert Wirkungs- (Stimulus-Response, S-O-R) und Nutzen­ansatz (Uses and Gratification), indem sowohl der Kommunikator als auch der Rezipient als aktive und als passive Kommunikationsteilnehmer verstanden werden.


Es ergänzt die Kommunikation zwischen zwei Wesen, auch Inter-­Kommunikation genannt, noch um die Ebene der ­Intra- Kommunikation – also des eigenen internen Kommunikationsprozesses, der Verarbeitung der eingehenden Signale anhand der Situation, des Erlernten, des Erfahrenen, aber auch der Emotionen und Mentalitäten.

Schließlich wissen wir ja schon lange, dass unsere Hunde nicht so dumm sind und Situationen durchaus unterscheiden können. Nicht selten klappt so manche Übung auf dem Trainingsplatz, doch in freier Wildbahn eben nicht. Oder denken wir nur daran, dass unsere Hunde manchmal einen Hund anbellen und manchmal nicht. Zum einen kommt es natürlich auch auf die Signale an, die der andere Hund sendet; aber vielfach kommt auch die so genannte Reiz­akkumulation zum Tragen. Auch hier finden interaktionistische Kommunikationsmodelle – im Gegensatz zum Sender-Empfänger-Modell – einen Grund: Denn auch wenn die Inter-Kommunika­tion zwischen Halter und Hund die gleiche sein mag, so ist die Intra-­Kommunikation des Hundes nun in dem Augenblick eine andere.

Denn die Realität ist ja bekanntlich ein Konstrukt. Nicht zuletzt basiert sie auf der Wahrnehmung. Und diese ist aufgrund der anderen Sinnesprioritäten beim Hund (anders als bei uns Menschen orientieren sich Hunde ja stärker an Gerüchen) dann eine ganz andere. Ihre Realitätskonstruktion ist folglich eine ganz andere.

Neben Inter- und Intra-­Kommunikation berücksichtigen interaktionistische Ansätze auch eine Feedback-Schleife. Auf die Kommunikation zwischen Hund und Halter wäre hier (unter anderem) das weite und wichtige Feld der Stimmungsübertragung zu verorten – oder wie es das Döggelchen Rico in unserem Blog gerne flappsig-metaphorisch nennt: semi-telepathische Verbindung. 😉

Kommunizier mit mir - aber richtig!

Sicher, diese Kommunikationsmodelle wurden ursprünglich für die menschliche Kommunikation entwickelt. Aber meiner Ansicht nach eignen sie sich ganz allgemein bei der Kommunikation zwischen sozialen Wesen – nur die Signale, also quasi die „Sprache“ ändert sich. Wir sollten endlich anfangen, unsere Hunde als individuelle und soziale Wesen wahrzunehmen. Als wesentlichem Bestandteil kommt der Kommunikation da eine maßgebliche Rolle zu. Und als soziale Wesen sollten wir sie auch dabei ernst nehmen und nicht nur als reine Empfänger unserer zuweilen doch recht widersprüchlichen Signale. Es ist für mich daher immer ein kleines Wunder, wenn Hunde uns „felllose Primaten“ dennoch verstehen. Eine Eigenschaft, die wir oft nicht mal innerhalb der eigenen Art schaffen.



Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 01/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Nehmt uns Hunde als Kommunikationspartner ernst!


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