Sonntag, 28. Februar 2021

Am Rande von ­Hunde­ausstellungen zeigt sich der falsche Ehrgeiz so ­mancher Halter

Bei Hundeausstellungen spielen sich abseits des Vorführrings Dramen ab: Von der heulenden Züchterin bis hin zur gefrusteten Halterin, die ihre Enttäuschung den Hund im wahrsten ­Sinne des Wortes spüren lässt. Ist das noch ­Liebe zum Hund? Oder nicht doch vielmehr falscher ­Ehrgeiz?

Dramatische Szenen spielen sich am Rande des Ringes ab. Nicht eines Catcher-, Box- oder ­Mixed-Martial-Arts-Rings – da würde es ja noch passen. Nein, am Rande von den Ringen meine ich, die man auf Hundeausstellungen antrifft: Zitternde Hunde, die Rute zwischen den Schenkeln eingeklemmt, den Kopf gesenkt – eingeschüchtert, ängstlich. So manch einer wurde mehr oder weniger rabiat zum Ring gezerrt (warum schreiten da eigentlich die Ringrichter nicht mal ein?). Nicht wenige pinkeln vor Aufregung – rund um den Ring häufen sich die Pfützen, das hysterische Kläffen einiger Fellfreunde auch. Selbst Nicht-Hundeerfahrene erkennen sofort: Hundespaß sieht anders aus.

Und dann im Ring selber. Ich will gar nicht wieder das Fass zum Thema Qualzuchten aufmachen (darüber schrieben wir ja bereits in WUFF 05/2016). Ich will auch gar nicht über die ­aufgepuschelten, überfrisierten und mit Abdeckstift bearbeiteten Hunde schreiben – über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. 😉 Aber wie die Hunde dort teilweise an der Show-Leine würgend geführt werden, damit ja der Kopf oben bleibt. Bei manch einem wirkte der Gang in etwa so natürlich wie der eines Models auf dem Catwalk. An so mancher Rute wurde gezogen, damit die ja auch hübsch nach oben zeigt. Dabei hätten einige Hunde sie aber viel lieber zwischen ihren Schenkeln eingeklemmt.

Wollen Halter ihre eigenen Komplexe damit kompensieren, dass ihre Hunde was "reißen", das sie selber nie erreichen würden?

Irgendwie erinnert mich das Ganze ein wenig an die überehrgeizigen Eltern, die ihre Kinder aufgemotzt und gepimpt zu Castingshows schicken. Und mal ­ehrlich: So mancher der Halter(innen) hätte viel mehr eine Typberatung gebraucht als ihr Hund. 🙂

Aber wirklich erschrocken war ich darüber, was ich teilweise hinter den Hallen erlebte … Ich meine jetzt nicht die Tränen, die einige vergossen haben – das ist ja noch harmlos. Aber so mancher gefrustete Aussteller ließ seinen Unmut über die schlechte Benotung seinen Hund spüren. Einmal sah ich an mir vorbeigehend, wie eine für die Show stark geschminkte Halterin im Glitzerkostüm ihren Hund mit dem Luftballon schlug. Ich fragte sie mit aller Höflichkeit, die ich angesichts der Situation aufbringen konnte, warum sie das denn täte. Sie blaffte mich sogleich an, ich solle mich nicht einmischen und hätte eh keine Ahnung. Nun, was diese Ausstellungen betrifft, mag es durchaus sein, dass ich keine Ahnung habe. Aber möchte ich das überhaupt, wenn da solche Leute mitmachen? Mein ­Doggen-Wookiee Rico jedenfalls antwortete der Frau mit einem sehr gelassenen, tiefen Beschwerde-Wuffer (schon praktisch so ein Hund, der gern das letzte Wort hat). Ein andermal sah ich bei einem Halter, den ich zuvor im Ring gesehen hatte, wiederholt heftige Leinenrucke – ohne dass der Hund etwas getan hatte. Zwar konnte ich auf die Entfernung die Worte nicht verstehen, aber die Körpersprache und die Töne ließen nur den Schluss zu, dass er mit seinem Hund schimpfte …

Da war der zackige Gang mancher Halter mit finsterem Blick, ihren Hund aber keines Blickes würdigend, direkt zum Auto in die Box, ja geradezu noch zärtlich im Vergleich. Da wundert es mich nicht, dass solche Hunde bei der nächsten Ausstellung, nach solchen negativen Erfahrungen, auch nicht gerade mit Freude und Souveränität den Ring betreten wollen. Und wie es mit dem Vertrauen zum Halter langfristig bestellt sein mag, wenn sich solche Erfahrungen wieder­holen, mag ich mir nicht mal ausmalen.

Muss das sein? Den eigenen übersteigerten Ehrgeiz mit dem Hund erfüllen zu wollen, finde ich schon schlimm genug, aber dann auch noch das Scheitern an ihm auszulassen, das nenne ich an ­dieser Stelle besser mal nicht beim Namen …

Wie wäre es denn bei diesen Ausstellungen, wenn man ein paar Tierschutz-­Beauftragte bestimmt, die solch ein Verhalten ahnden – beispielsweise auch mit Punkteabzug bei der Endwertung? Okay, zugegeben, der Gedanke ist nicht wirklich zu Ende gedacht. Aber es kann doch nicht sein, dass wir diese wunderbaren Tiere, die selbst dann noch ihren Halter über alles lieben, dafür quälen, nur weil sie nicht genug Punkte geholt haben. Ihr Wert bemisst sich doch nicht nach einem Ausstellungsergebnis – oder doch?

Klar, es gibt auch echte Rampensäue ­unter den Hunden. Es sind halt Indi­viduen. So manch einer schien die Show und die Aufmerksamkeit geradezu zu genießen. Ich nehme mal an, dass diese Hunde auch keine Repressalien zu befürchten haben, wenn das Ergebnis halt nicht so dolle ausfällt. Ihre Halter lieben sie dennoch – oder gerade deswegen (und das spüren ihre Hunde auch dank der Stimmungsübertragung!). Offenbar machen sie mit nach dem olympischen Motto: „Dabei sein ist alles.“ Sie sehen es wohl einfach als lustigen Spaß und als gemeinsames Erlebnis mit ihrem Hund.

Anmk.: Dieser Artikel erschien zuerst in meiner Kolumne in WUFF - Das Hundemagazin 02/2018; parallel dazu erschien auch unser Blogbeitrag Freundschaft bemisst sich nicht nach Punkten!

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